Marktanalysen

Marktanalyse vom 26.04.2020 – „Be greedy when others are fearful!“ Einfacher gesagt als getan…

Auch wenn ich kein großer Fan (mehr) von Warren Buffett bin, nachdem ich mir seine Biografie durchgelesen habe (dazu eventuell ein anderes Mal mehr), finde ich sein Zitat, welches als Titel für diesen Artikel dient, sehr zutreffend für die Entwicklungen der letzten Wochen an der Börse.

Der Kauf von Aktien in Abwärtsphasen erfordert ganz besonderen Mut. Insbesondere wenn eine Weltuntergangsstimmung herrscht und Crash-Propheten ihre Hochsaison feiern. Selbst die hartgesottensten Langfristanleger und Investoren, die bis vor kurzem noch von Panikverkäufen abrieten, drückten teilweise den Abzug.

Nachdem die letzten drei Beiträge exklusiv an die Newsletter-Abonnenten gingen, habe ich beschlossen, diesen Artikel erneut auf dem Blog zu veröffentlichen.

Interessenten können die letzten drei Newsletter unter den folgenden Links aufrufen:

In meinen Newslettern hatte ich unter anderem erwähnt, dass

  • die globalen Zentralbanken die Zinsen massiv senken würden,
  • die Zentralbanken weiterhin genügen Mittel besitzen, um die Märkte zu stützen,
  • auf globaler Ebene koordinierte und stimulierende Maßnahmen seitens der Zentralbanken und Regierungen zur Bekämpfung der Coronavirus-Folgen unternommen werden,
  • ich nicht überrascht wäre, wenn wir eine V-Erholung an der Börse sehen und
  • aufgrund dieser vier sowie weiterer Gründe optimale Kaufchancen bestehen könnten („once-in-a-lifetime-opportunity“).

Des Weiteren hatte ich erwähnt, dass

  • Anlegern meines Erachtens die Geschwindigkeit des Ausverkaufs am meisten Angst macht und die Rücksetzer viel weniger Aufmerksamkeit erregen würden, wenn die Kurse nur dahin plätschern würden, sodass aktuell Emotionen und Psychologie (Angst und Panik) im Spiel sind,
  • Bullenmärkte mit einem Wimmern sterben und nicht mit einem Knall sowie
  • nicht jede Aktie aufgrund von Kursverlusten zwangsweise ein Kauf ist und wichtige Qualitätsmerkmale in meinen vielen Artikeln bereits hervorgehoben wurden (u. a. Sektoren wie Banken und Automobil meiden).

Was ist bisher passiert? 

Ich bin zwar kein Orakel, aber ich muss zugeben, dass selbst ich überrascht bin, wie treffsicher meine Prognosen eingetreten sind und dies sogar in einer Rekordgeschwindigkeit von nur wenigen Wochen.

Was ich allerdings unterschätzt habe ist das Ausmaß der wirtschaftlichen und sozialen Konsequenzen, welche der Virus zur Folge hatte. Zu meinem Schutz muss ich hierzu sagen, dass uns die Weltgesundheitsorganisation, die Bundesregierung, die US-Regierung sowie andere Institutionen den Coronavirus als eine Krankheitswelle mit mildem Verlauf verkauft hatten, sodass ein globaler Lockdown und Social Distancing dieses Ausmaßes einfach nicht auf der Rechnung standen.

Hierbei ist allerdings zu erwähnen, dass einige Hedgefondsmanager wie u. a. Bill Ackman, Jeff Gundlach, Ray Dalio (wer sein Buch gelesen hat, weiß, dass er sehr gute Kontakte nach China hat) sowie Bill Gates (der eine Reihe von Biotech-Investments besitzt) über die Massenmedien eine extreme Corona-(Angst-)Kampagne geführt haben (zumindest war das mein Eindruck) und aufgrund ihrer Milliarden hohen Short-Positionierungen einen bedeutenden Angebotsüberhang am Kapitalmarkt verursacht und wohl wesentlich zu dem Selloff beigetragen haben.

Einer der Hedgefondsmanager hatte übrigens bei einer Live-Schaltung bekanntgegeben seine Shorts gecovert zu haben und nun long gegangen zu sein, sodass mittlerweile schon von einem „Bill Ackman-Bottom“ gesprochen wird. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass dieselben Hedgefondsmanager, die zuvor einen Lockdown gefordert hatten und mit ihren Shorts abgesahnt haben (es sei ihnen gegönnt), nun auf ihren Twitter-Profilen Optimismus verbreiten und ein reopening der Wirtschaft fordern.

Infolge der Corona-Panik und des Herdenverhaltens sind die internationalen Indizes in der Spitze um 30-40% abgestürzt, wobei es insbesondere (wieder einmal) den Dax am stärksten und den US-Technologie-Index Nasdaq am glimpflichsten erwischt hat. Ich vermute, dass im Zuge dieses Selloffs aufgrund von Margin Calls einige Depots gesprengt wurden (allerdings gab es im Rahmen des Selloffs ein paar Sonderfaktoren, die den Abverkauf beschleunigt haben, auf die ich nicht im Einzelnen eingehen möchte; siehe folgende Abbildung).

Während ich im Allgemeinen mit einem Selloff gerechnet hatte, muss ich zugeben, dass das Tempo und auch das Ausmaß auch mich überrascht haben. Historisch gesehen war dies der schnellste Abverkauf überhaupt und sogar schneller als während der von den Crash-Propheten häufig zitierten „Großen Depression“ der dreißiger Jahre. Innerhalb von 22 Handelstagen ging es bei den Indizes um mehr als 30% nach unten (siehe folgende Abbildung).

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Doch nicht nur der Selloff war aus historischer Sicht einzigartig, ebenso schnell setzte nach massiven Stimulusprogrammen der Zentralbanken (insbesondere der Federal Reserve) sowie der Regierungen (insbesondere der USA) die Kurserholung – zumindest bei den US-Indizes – ein (der Markt bekam fürs Erste sein „whatever it takes„). Die US-Märkte erholten sich innerhalb von drei Wochen um rund 30% (siehe folgende Abbildung).

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Betrachtet man die aktuelle Lage an der Börse, insbesondere den US-Technologie-Index Nasdaq, fragt man sich als Anleger „welche Krise?“ Der Nasdaq steht für dieses Jahr aktuell mit 0,61% im Plus, obwohl man bis vor einem Monat an der Börse noch das Gefühl hatte, dass die Welt untergeht. Gleichwohl konnte sich insbesondere der Dax verhältnismäßig wenig erholen (siehe Abbildung).

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Allerdings ist an dieser Stelle zu erwähnen, dass meines Erachtens weder die üblichen Zinssenkungen der Zentralbanken, noch das übliche Anleihekaufprogramm tatsächlich zu einer solch beeindruckenden Rally beigetragen haben. Meiner Meinung nach gibt es hierzu zwei darüber hinausgehende Faktoren, auf die ich eventuell in Zukunft eingehen werde.

Während sich die Aktienmärkte auf beeindruckende Weise von ihren Tiefs erholen konnten, gab es ein weiteres historisches Ereignis. Die Öl-Futures für WTI stürzten vor wenigen Tagen in den negativen Bereich; und auch hier wurden laut Berichten einige Depots von Retail-Anlegern gesprengt, die mit den Regularien von Öl-Futures nicht vertraut waren. Shit happens.

Am lustigsten war dann noch ein Statement eines Analysten auf CNBC, der meinte, dass man sich nicht auf den WTI-Preis, der spekulativ getrieben sei, sondern auf den Brent-Preis fokussieren sollte, der sich an dem Abend ganz gut hielt und im internationalen Handel von weitaus wichtigerer Bedeutung sei. Am nächsten Tag wurde er schließlich eines Besseren belehrt als auch der Brent-Preis um bis zu 30% abschmierte. Ihn würde ich als Experten nicht mehr anrufen.

Weit wichtiger ist jedoch die Frage, warum der Ölpreis so stark abgestürzt ist und auf den Niveaus von 1999 notiert. Während sich die OPEC+ Mitgliedsstaaten auf eine Produktionskürzung von 10 Millionen Barrel pro Tag geeinigt haben, was meinen Recherchen zufolge 10% der täglichen Produktion entsprechen dürfte, stürzte die Ölnachfrage laut US-Präsident Trump und Analysten um 40-50% pro Tag ab, wodurch ein erheblicher Angebotsüberhang entstanden ist.

Auch wenn sich die OPEC+ Mitgliedsstaaten sich auf eine Produktionskürzung geeinigt und die USA mit massiven Interventionen versucht haben, die Märkte zu beruhigen und die Brände an verschiedenen Stellen zu löschen, betitelte eine britische Zeitung den Ölpreisabsturz als „Act of God„. Irgendwo platzt der Knoten dann eben doch. Die folgende Abbildung veranschaulicht den Ölpreisverlauf von 2009 bis 2020.

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Wie schneidet das Real Financial Dynamics-Wikifolio ab? 

Das RFD-Wikifolio schlägt sich im aktuellen Umfeld hervorragend. Während die internationalen Indizes von ihren Hochs in 2020 zweistellig im Minus liegen (siehe folgende Abbildung; in USD)…

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… notiert das RFD-Wikifolio gerade einmal 8% unter seinem Allzeithoch von 53% im Februar 2020 (siehe Abbildung):

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Gar nicht mal so schlecht, wenn man berücksichtigt, dass ich vor 2,5 Jahren ohne Vorkenntnisse in die Börse eingestiegen bin. Dabei trugen insbesondere stärker gewichtete Werte wie Amazon (siehe meine beiden Analysen auf Seeking Alpha vom 12. Januar 2020 und 3. Februar 2020), Teladoc und Netflix zu dieser guten Performance bei, da alle drei trotz – oder wegen – Corona neue Allzeithochs verzeichnet haben. Der Telemedizin-Spezialist Teladoc, der nicht erst seit Corona, sondern seit 2018 im Wikifolio enthalten ist, hat sich seit Januar mehr als verdoppelt. Damit ist Teladoc der erste Verdoppler im Wikifolio (siehe folgende Abbildung).

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Eigentlich hätte es ein paar Kursverdoppler mehr im RFD-Wikifolio geben müssen, aber Über- und Untergewichtungen in der Vergangenheit haben leider sowohl die Einzelperformance als auch die Wiki-Performance zum Teil erheblich (negativ) belastet (Timing is a bitch).

Im Rahmen des Selloffs habe ich keine Änderungen im Wikifolio vorgenommen und war voll investiert. Lediglich vor einer Woche – leider eine Woche zu früh, da sich ein paar Werte letzte Woche überragend entwickelt haben – habe ich ein paar Anpassungen vorgenommen, um für potenzielle bad news vorbereitet zu sein und mehr Handlungsspielraum zu besitzen (so viel zum Timing).

Gleichzeitig hatte ich zwei Kommentare am 18.03. sowie am 24.03.2020 verfasst und bin erneut selbst überrascht, wie treffsicher meine Prognosen waren. Trotz einer erst 2,5 jährigen Börsenkarriere scheine ich mittlerweile ein sehr gutes Gespür entwickelt zu haben. Dabei habe ich genau die Börsentiefs erwischt und die Börse hat sich danach um rund 30% von ihren Tiefs erholt (siehe folgende Abbildungen):

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Gleichwohl muss ich, wie bereits oben erwähnt, zugeben, dass das Tempo und auch das Ausmaß des Selloffs auch für mich überraschend waren. Aktien wie Shell, Square und Uber sind zu €10 (Shell), 30$ (Square) und 13$ (Uber) über den Ladentisch gegangen und haben kurzfristig über 70-80% an Wert verloren, was in meinen Augen extreme Übertreibungen waren.

In der Zwischenzeit haben sich diese Werte um mehr als 100% erholt (Square $61, Uber $29, Shell bis zu €17,50). Hätte ich geahnt, dass wir einen derartigen Absturz erleben, hätte ich natürlich vorher im Wikifolio reduziert und zu Schnäppchenpreisen nachgekauft.

Abschließend möchte ich noch auf die Gesamtperformance des Wikifolios eingehen. Während das RFD-Wikifolio eine Performance von aktuell 39,4% im Zeitraum 27.08.2017-24.04.2020 aufweist (13,3% pro Jahr), sind die Performances der internationalen Indizes in der folgenden Grafik dargestellt. Dabei fällt auf, dass sich das RFD-Wikifolio nur mit dem Nasdaq einen regelmäßigen Schlagabtausch um den ersten Platz liefert (in EUR):

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Wie herausforderungsvoll die letzten drei Jahre generell, insbesondere für Börseneinsteiger, gewesen sind, veranschaulicht die oben stehende Grafik. Wie zu sehen ist, erlebten wir ein ständiges auf und ab. Wer nicht gerade ein super Händchen hinsichtlich Timing hatte, hätte es mit einem MSCI World ETF auf gerade einmal 2,7% geschafft. Bei einem S&P 500 ETF wären es immerhin rund 32% gewesen.

An dieser Stelle möchte ich noch eine Warnung aussprechen. Ich sehe leider zu oft vermeintliche Fonds- und Wikifoliomanager, die ihre Performance in EUR, aber die Benchmarks in USD darstellen, sodass es so aussieht als würden sie outperformen.

Die folgende Grafik liefert beispielhaft die Darstellung der Performance des RFD-Wikifolios (in EUR) vs. den Nasdaq (in USD). Während der Performanceabstand in EUR rund 20 Prozentpunkte beträgt (siehe Abbildung oben), beträgt der Abstand aufgrund von Wechselkurseffekten in der Abbildung unten lediglich zehn Prozentpunkte. Wechselkurseffekte spielen also eine bedeutende Rolle, worauf Anleger sehr achten sollten. Meines Erachtens fällt das schon unter bewusste Anlegertäuschung.

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Wie geht es jetzt weiter? 

„Ungewiss, die Zukunft ist“, würde Meister Yoda aus Star Wars sagen. Während die massiven Stimulusmaßnahmen der Zentralbanken und Regierungen eine Erholung an den Aktienmärkten auslösten, blicken die Gold-, Anleihe- und Ölmärkte mit Skepsis auf die aktuelle Lage.

Die folgende Abbildung veranschaulicht die Performance von Gold, Anleihen, Öl sowie verschiedener Indizes ab 2018 (in USD). Auffällig ist, dass insbesondere Gold und Anleihen zu den Outperformern zählen (in meinem Artikel vom 21.08.2018 – Bärenmarkt loading? war ich zuletzt auf Anleihen als potenziell rentables Investment eingegangen).

Öl hingegen ist im Crash-Modus. Für mich ist Öl ein wichtiger und nicht zu vernachlässigender Konjunkturindikator und ein Warnsignal, insbesondere dann, wenn es zu einem derartigen Abschlag kommt. Der Dax und Nikkei zählen zu den chronischen Underperformern und das sogar obwohl die Bank of Japan mittels ETFs wie wild japanische Aktien aufsaugt.

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Ferner kommt hinzu, dass die meisten Unternehmen ihre Prognosen für 2020 zurückgezogen haben, da auch sie nicht wissen, welche Auswirkungen die aktuelle Lage auf ihre Umsätze und Gewinne haben werden. Selbst Netflix als Nutznießer des vermeintlichen Lockdown warnte in den Quartalsergebnissen vor einer zu übertriebenen Erwartungshaltung des Kapitalmarktes.

Die Tatsache, dass u. a. die Fed nun mittels ETFs sogennante Junk Bonds aufkauft, hat den Börsen und einigen Hype-Aktien ziemlichen Auftrieb verliehen, sodass manche Bewertungen in keinem Verhältnis mehr zur Realität stehen. Gleichzeitig wird die Fed im nächsten Schritt wohl Kommunalanleihen aufkaufen und befindet sich nur noch einen Schritt weit entfernt vom Kauf von Aktien. Dass allerdings der Aktienkauf kein Allheilmittel ist, zeigen die Japaner, die trotzdem seit Längerem mit deflationären Verhältnissen zu kämpfen haben.

In diesem Zusammenhang hatte ich am 15.04.2020 einen Kommentar auf Wikifolio verfasst (man merkt, auch bei mir macht sich langsam etwas Skepsis zur aktuellen Lage breit):

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Der Konsens unter Analysten ist dahingehend, dass wir die Tiefs im März gesehen haben könnten (damals hieß die Aussage, dass sie den Dip nicht kaufen würden). Einige Marktteilnehmer reden sogar schon von neuen Allzeithochs und stellen Kursziele auf. Ich finde diese Vorgehensweise zutiefst unseriös und lasse mich auf derartige Prognosen nicht ein.

Während die US-Regierung sich eine V-Erholung wünscht, kommen aus der Wirtschaft eher skeptische Aussagen, die vielmehr auf eine langwierige Erholung schließen lassen. Die US-Indizes haben eine beinahe V-Erholung eingelegt und scheinen eine vermeintliche V-Erholung einzupreisen. Sie befinden sich beinahe wieder auf dem Niveau von Februar 2020 als die Unternehmen Rekordergebnisse verzeichneten. Aber was ist mit den Unternehmensgewinnen? Das kann leider aktuell keiner mehr sagen, nicht einmal die CEOs selbst.

Wir befinden uns aktuell in einem Umfeld, wo eine Vielzahl von Unternehmen versuchen Liquidität sowie Kreditlinien zu sichern. Das Gleiche gilt übrigens auch für (US-)Verbraucher, deren Kredit-, Hypotheken- sowie Mietzahlungen zu einem bedeutenden Teil ausgesetzt worden sind und es gleichzeitig Helikoptergeld von der US-Regierung regnet.

Ein Unternehmen wie Alphabet (siehe meine Artikel auf Seeking Alpha vom 27.12.2019 und 06.02.2020), das knapp $100 Milliarden Cash in der Kasse hat, senkt Berichten zufolge seine Marketingausgaben um 50% und es gibt Berichte darüber, dass Neueinstellungen erstmal auf Eis gelegt werden.

In einem Interview legte Buffetts Partner Munger nahe, dass es jetzt erstmal darum geht, diesen Sturm zu überstehen und nicht voreilig zu handeln. Wer wirklich versteht, wie Berkshire sein Geld verdient, wird nicht verwundert darüber sein, dass Buffett sich noch nicht zu Wort gemeldet hat.

Zentralbanken, Regierungsvertreter sowie Jamie Dimon (CEO JP Morgan) warnen vor einer schwerwiegenden Krise. JP Morgan sowie andere US-Großbanken haben mittlerweile Milliarden hohe Reserven für potenzielle Kreditausfälle gebildet. CEO Dimon bereitete den Markt schon einmal darauf vor, dass die Dividende zum ersten Mal in der Geschichte gekürzt werden könnte, sollte sich die Lage verschlechtern.

Mittlerweile bekommen wir sektorenübergreifend und insbesondere bei europäischen Aktien von Dividendenkürzungen oder kompletten Aussetzungen zu hören. In den USA werden überwiegend Aktienrückkäufe ausgesetzt, um Liquidität zu bewahren. Aktienrückkäufe waren zuletzt auf einem Rekordhoch und der Rückgang sollte nun ebenfalls die Nachfrage am Aktienmarkt reduzieren.

Großanleger wie Carl Icahn bereiten sich wohl mittlerweile schon auf einen Einbruch des Real Estate-Marktes in den USA vor. Das kommt nicht ganz überraschend, wenn man bedenkt, dass aktuell über 20 Millionen Menschen in den USA als arbeitslos gemeldet sind (wobei diese Zahl mit Vorsicht zu genießen ist, da es ein paar Sonderfaktoren zu berücksichtigen gilt), sodass die Nachfrage nach teuren Anschaffungen und insbesondere Immobilienfinanzierungen zurückgehen sollte.

Übrigens habe ich zu meiner Überraschung erfahren, dass WeWork, welches sich auf dem sicheren Weg in die Insolvenz befindet, nachdem die Finanzierung seitens Softbank geplatzt ist, aktuell der größte Mieter von Büroflächen in New York noch vor JP Morgan ist. Dabei zahlt WeWork an die Vermieter der Büroräume laut Medienberichten aktuell keine Miete, weil sie es sich gerade einfach nicht leisten können.

Mittlerweile sind auch wieder sogenannte Euro-Bonds bzw. Corona-Bonds im Gespräch. Dabei wollen internationale Großanleger natürlich die Bonität Deutschlands mit dem Risikoaufschlag von u. a. Italien kombinieren und Traumrenditen absahnen, die sie bei vergleichbarer Sicherheit nirgendwo finden würden. Ich befinde mich hierzu in einem Zwiespalt.

Aus der Sicht eines Aktienanlegers sind Euro- bzw. Corona-Bonds von Vorteil, da dies (zumindest kurzfristig) zu steigenden Kursen führen würde. Aus der Sicht eines in Deutschland gebürtigen deutschen Staatsbürgers könnte das unter das Wall Street-Vorurteil Stupid German Money fallen (als engagierter deutscher Bürger, der im Zusammenhang mit Corona mehrmals mit dem Bundeskanzleramt telefoniert hat, darf ich das sicherlich sagen).

Übrigens wurden im Zuge des Corona-Durcheinanders die Verschuldungsobergrenzen für europäische Staaten aufgehoben. In einem normalen Medienalltag wäre dies sicherlich mit großer Empörung aufgenommen worden. Aber die Menschen waren eben zu sehr mit Corona und sich selbst beschäftigt.

Aufgrund der massiven monetären Maßnahmen sowie Übertreibungen insbesondere bei Hype-Stocks, welche sich auch korrigieren dürften, werden es Stockpicker in Zukunft meinen Vermutungen zufolge schwerer haben eine Outperformance zu erzielen. Index-Schmuser hingegen dürften nun einen Vorteil haben, wenn sie Rücksetzer mutig zum Kauf nutzen.

Aktive Anleger sollten sich im aktuellen Umfeld meines Erachtens mehr auf Unternehmen konzentrieren, die schöpferische statt verwaltende Führungskräfte besitzen.

Wichtig finde ich es zu erwähnen, dass Anleger nicht auf vermeintliche value traps reinfallen sollten. Ganz populäre deutsche und amerikanische Beispiele sind die Deutsche Bank und General Electric, die seit Jahren nur eine Richtung kennen.

Basierend auf der Tatsache, dass selbst Unternehmen aktuell händeringend Liquidität sichern wollen, denke ich, dass es im aktuellen Umfeld von Vorteil ist, Cash zu besitzen und sein Pulver nach der massiven Rally nicht vorzeitig zu verschießen. Wer die Übertreibung Ende März genutzt hat, dürfte aktuell auf soliden Kursgewinnen sitzen oder Gewinne mitgenommen haben. Wie der Hauptprotagonist Tommy Shelby aus der Serie Peaky Blinders es zum Ausdruck bringt „in der Krise gilt Cash ist King.“

Mein Gefühl sagt mir, dass wir nun eine längere Seitwärtsphase erleben könnten. Da aber die Börse in beide Richtungen oft zu Übertreibungen neigt, wäre mein Wunschszenario ein zunächst langsames Zerbröseln und dann ein massiver Abverkauf unter die März-Tiefs als erneute Kaufchance bevor es dann wieder mit einer V-Erholung nach oben geht. Nächste Woche stehen erst einmal Tech-Earnings an, was Volatilität zur Folge haben dürfte.

Die Wahrheit dürfte irgendwo zwischen Optimismus und Pessimismus liegen. Wie beeinflusst Corona meine Investmententscheidungen? Gar nicht! Meine Investmentkriterien und favorisierten Unternehmen entsprechen immer noch denselben. Meine Investments dürften sich prächtig entwickeln und trotz herausforderungsvollen Rahmenbedingungen weiterhin wachsen. Lediglich an der Gewichtung und am Timing könnte ich im Wikifolio Anpassungen vornehmen.

PS: „Bullenmärkte werden im Pessimismus geboren; sie wachsen bei Skepsis, reifen im Optimismus und sterben bei Euphorie.“

Du möchtest mehr über die Auswahlkriterien von Alpha Aktien und Outperformern lernen? Dann bewirb dich über das Kontaktformular für ein individuelles und nach deinen Wünschen ausgerichtetes Coaching!

Dynamische Grüße,

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Güner Soysal, 26.04.2020
Real Financial Dynamics

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4 Gedanken zu „Marktanalyse vom 26.04.2020 – „Be greedy when others are fearful!“ Einfacher gesagt als getan…

  1. Interessanter Beitrag. Auch wenn ich den Einfluss von den Hedgefondsmanager nicht so stark sehe und mir nicht erschließt, was der Vorteil für Bill Gate sein sollte. Bill Gates neue Beteiligungen bzw. die seiner Stiftung sind größtenteils nicht gelistet und die Notwendigkeit Geld zu verdienen erschließt sich mir bei ihm und seinen Handlungen in den letzten 15 Jahren auch nicht.

    Was mich aber interessieren würde, wie siehst du den Einfluss von Larry Fink und Aladin?

    1. Hallo Till,
      Larry Fink kann mit seinen Aussagen Märkte bewegen. In der aktuellen Situation ist bekannt, dass die Fed Blackrock beauftragt hat u. a. die Junk Bonds zu kaufen. Meines Wissens mittels ETF. Aladdin bzw. Blackrock finde ich spannend.
      LG,
      Güner

  2. Hallo Güner,

    Vielen Dank für deine ausführliche Meinung des aktuellen Marktes. Ich habe selber den Crash genutzt um einige Aktien günstiger zu bekommen.
    Das die Kapitalmärkte crashen denke ich nicht mehr, die FED und die EZB schwemmen die Märkte mit Geld, sodass wir das meiste schon gesehen haben müssten.

    1. Hallo Mayer,
      danke für deinen Kommentar! Ich denke, dass man Gründe für steigende und fallende Kurse finden wird, je nachdem, wie die Märkte gerade laufen. Long-term kennen die Märkte sowieso nur eine Richtung.
      LG,
      Güner

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