Marktanalysen

Marktanalyse vom 25.12.2018 – Willkommen im Bärenmarkt!

Spätestens seit dem 24. Dezember 2018 befinden wir uns nun offiziell in einem Bärenmarkt, nachdem der US-Index S&P 500, analog zu seinen europäischen und asiatischen Pendants, die Kursschwelle von 20% überschritten hat.

In diesem Beitrag möchte ich dir zum einen meine Einschätzung zur aktuellen Marktlage präsentieren. Zum anderen möchte ich dir meine weitere Vorgehensweise sowie meine Entscheidungsgrundlagen hierfür darstellen.

Zuletzt veröffentlichte ich die dreiteilige Korrektur- bzw. Bärenmarkt-Serie auf meinem Blog. Solltest du diese nicht gelesen haben, würde ich dir empfehlen, dies nachzuholen, damit du den Gesamtkontext diesen Beitrags besser nachvollziehen kannst:

  1. Marktanalyse vom 21.10.2018 – Bärenmarkt loading?
  2. Marktanalyse vom 27.10.2018 – Party is over?
  3. #16: Amazon – drei Gründe warum sich der Aktienkurs halbieren könnte

Nichtsdestotrotz werde ich einleitend ein paar Punkte aus diesen Artikeln anreißen. Gleichzeitig möchte ich in diesem Beitrag nur auf die in meinen Augen wesentlichen Entwicklungen eingehen.

In meiner Marktanalyse vom 21.10.2018 – Bärenmarkt loading? hatte ich geschrieben, dass sich die aktuelle Marktlage für mich nicht wie eine Korrektur anfühlt und ich eher das Gefühl habe, dass mehr dahinter steckt. Ich fügte hinzu, dass es ein paar Signale gibt, die bei mir die Alarmglocken läuten lassen und ich diese nicht einfach ignorieren kann. Als Anhaltspunkte hierfür lieferte ich unter anderem folgendes: sektorübergreifender Ausverkauf, sektorübergreifende Gewinnwarnungen, internationaler Ausverkauf, Ausverkauf seitens institutioneller Investoren, irrationale Kursbewegungen und „Milchmädchen-Hausse“. Als Konsequenz des Ganzen hatte ich meine Investmentquote gesenkt und einen Teil meiner Aktien verkauft, mit dem Hinweis, (nahezu) komplett aus dem Aktienmarkt auszusteigen, falls sich meine Befürchtungen verdichten und wir uns in Richtung eines Bärenmarkts bewegen, mit dem Risiko, dass ich mich irren könnte.

Im Rahmen meiner Marktanalyse vom 27.10.2018 – Party is over? hatte ich das Zitat von Ken Fisher erwähnt und hinzugefügt, dass ich den Eindruck habe, dass eine Vielzahl von Anlegern auf einen (plötzlichen) „Crash“ warten, aber Bullenmärkte nach Aussagen von Ken Fisher vielmehr mit einem Wimmern statt mit einem Knall sterben. Nachdem unter anderem der Dax-Kursindex (als Pendant zum S&P 500) einen Verlust von über 20% von seinem letzten Hoch Ende Januar verzeichnete und mir insbesondere die Kursbewegungen von Amazon und Alphabet auf die Quartalszahlen verdächtig vorkamen, verdichteten sich die Anzeichen auf einen potenziellen Bärenmarkt, sodass ich meine Aktienquote auf nahezu null gesenkt hatte.

Im Rahmen meines Artikels vom 29. Oktober 2018 #16: Amazon – drei Gründe warum sich der Aktienkurs halbieren könnte nannte ich unter anderem die übergreifenden Marktbedingungen, die Euphorie der Anleger sowie die Phase der Übertreibung und Blasenbildung am Beispiel des „Ei des Kostolany“ und der „Bitcoin-Blase“ als Anhaltspunkte für einen potenziellen massiven Kurssturz der Amazon-Aktie (wobei sich diese Ausführung nicht speziell auf Amazon, sondern auch auf andere Aktien und Asset-Klassen übertragen lässt). Ich fügte hinzu, dass es im gegenwärtigen Marktumfeld sicherlich von Vorteil ist, nicht jeden Kursabschlag als Schnäppchen zu sehen, sondern mit Ruhe und Strategie vorzugehen.

Schauen wir uns im Folgenden zunächst einmal an, was in der Zwischenzeit passiert ist.

1. Was ist in der Zwischenzeit passiert?

„Bullenmärkte sterben mit einem Wimmern, nicht mit einem Knall“
– Ken Fisher

Als ich meinen ersten Artikel „Marktanalyse vom 21.10.2018 – Bärenmarkt loading?“ am 21.10.2018 veröffentlichte, sah der Chart des S&P 500 folgendermaßen aus:

S&P 500 im Zeitraum 20.10.2017-19.10.2018; Quelle: Onvista

 

In der folgenden Grafik ist ergänzend die Entwicklung des S&P 500 bis zum 24.12.2018 dargestellt. Auffällig ist, dass sich die Bullen und die Bären einen beeindruckenden Kampf um den Triumph lieferten und die Börse im Zeitraum Oktober bis Dezember ein dreifaches Top und ein dreifaches Tief aufgebaut hat ohne einen eindeutigen Sieger festzulegen (siehe rote Markierungen). Schließlich brachen ab Mitte Dezember alle Dämme und die Bullen kapitulierten. Aktuell befindet sich der Index im freien Fall und ein Boden scheint erst einmal nicht in Sichtweite.

S&P 500 im Zeitraum 20.10.2017-24.12.2018; Quelle: Onvista

 

Faszinierend ist diese Kursentwicklung dahingehend, da sie vor Augen führt, wie beeindruckend die Börse mit ihren Hochs und Tiefs kokettiert, um so viele Anleger wie möglich in ihren Bann zu ziehen. Bei jedem Hoch sah ich Bullen, die euphorisch ihren Triumph feierten, um beim nächsten Kurssturz wieder enttäuscht zu werden. Dies ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie wichtig neben Kapital und Fachwissen auch emotionale Stärke und Geduld an der Börse sind. Als Vergleich könnte die Performance eines Sportlers herangezogen werden. Neben hartem Training sind die Ernährung und die Ruhephasen mindestens genauso wichtig, wenn nicht sogar wichtiger.

Diese Grafik erinnerte mich zwangsläufig an eine Schlacht zwischen den Römern und den Germanen, die ich in einer Dokumentation sah. Die germanische Seherin prophezeite, dass die Germanen bis Neumond keinen Krieg gegen die Römer führen dürften, weil die Vorzeichen auf einen Sieg schlecht stünden. Der römische Heerführer, der davon erfahren hatte, ließ sein Heer fünf Tage lang auf das Schlachtfeld marschieren und forderte den germanischen Heerführer jeden Tag aufs Neueste heraus. Am sechsten Tag konnte der germanische Heerführer schließlich den Provokationen der Römer nicht mehr widerstehen und führte sein Heer – entgegen der Weissagung – in die Schlacht. Das Ergebnis war eine vernichtende Niederlage des germanischen Heeres. Dieses historische Ereignis erinnerte mich an das Verhalten der Bullen, die alle schlechten Vorzeichen ignorierten und, in der Hoffnung Schnäppchen gemacht zu haben, weiterhin gekauft hatten.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass nun auch die US-Börse spätestens seit dem 24. Dezember 2018 offiziell in einem Bärenmarkt steckt, nachdem der S&P 500 auf Tagesschlusskurs-Basis rund 3% verlor und einen Abschlag von mehr als 20% zum Allzeithoch verzeichnet. Zuvor befanden sich bereits der US-Nebenwerte-Index Russell 2000 und der Technologie-Index Nasdaq 100 in einem Bärenmarkt.

Ich hatte in meinen vorherigen Artikeln bereits erwähnt, dass sich einige internationale Indizes in einem Bärenmarkt befinden und es nur eine Frage der Zeit zu sein scheint, bis die US-Indizes nachziehen. Die folgende Grafik veranschaulicht nochmals das Ausmaß der Verkaufswelle bei den US-Indizes S&P 500, Nasdaq 100, Russell 2000 sowie beim Dax, Nikkei und Euro Stoxx. Auffällig ist, dass aktuell sämtliche Indizes mit Kursverlusten von über 20% im Bärenmarkt-Territorium liegen:

Internationale Indizes im Bärenmarkt, Zeitraum: 26.12.2017-24.12.2018, Quelle: Onvista

 

Doch wie kam es zu dieser Verkaufswelle?

2. Was waren die Auslöser für die Verkaufswelle?

„Ein Unternehmen kann noch so gute Gewinne erzielen und Dividenden zahlen, es kann noch so gute Zukunftsaussichten haben, steigen wird es an der Börse erst, wenn die Nachfrage größer als das Angebot ist. Das ist das einzige Postulat der Börsenlogik “
– André Kostolany

In meinen Augen haben zwei wesentliche Entwicklungen zu den dargestellten Hochs und Tiefs sowie der anschließenden Verkaufswelle beigetragen:

  1. das endgültige Platzen der aufgeblasenen Hoffnungen über eine weiterhin lockere Geldpolitik seitens der FED und
  2. die Enttäuschung über eine selbstverschuldete Euphorie im Handelsstreit zwischen den USA und China, welche nicht erfüllt werden konnte.

1) Das endgültige Platzen der aufgeblasenen Hoffnungen über eine weiterhin lockere Geldpolitik seitens der FED

In Bezug auf das Platzen der Hoffnungen zur Beibehaltung einer lockeren Geldpolitik hat der FED-Chef Jerome Powell selbst beigetragen, indem er in seiner Rede vom November seine Aussagen aus dem Monat Oktober änderte. Andernfalls vermute ich, dass die gegenwärtige Verkaufswelle bereits im November aufgetreten wäre. Ferner vermute ich, dass der FED-Chef seine Vorgehensweise nicht ändern, aber seinen Ton etwas lockern wollte. Jedoch schürte er damit die Hoffnungen auf eine weiterhin lockere Geldpolitik. Diese Hoffnungen sind zusätzlich darauf zurückzuführen, dass zum einen US-Präsident Donald Trump und zum anderen zahlreiche Fondsmanager in der Öffentlichkeit regelmäßig eine weiterhin lockere Geldpolitik von der FED forderten. Die widersprüchliche Aussage des FED-Chefs nährte dadurch die Hoffnungen für ein Umdenken in der Geldpolitik. In diesem Zusammenhang schrieb ich in meinem Wikifolio folgendes:

Gleichzeitig wurden fast im Tagesrhythmus diverse Artikel in den Medien veröffentlicht, wonach die FED ihre Geldpolitik überdenken und gegebenenfalls mit den Zinserhöhungen pausieren könnte. Ob diese der Wahrheit entsprechen oder gezielt gestreut wurden, um die Kurse zu beeinflussen, muss jeder für sich selbst entscheiden. In diesem Zusammenhang veröffentlichte ich den folgenden Kommentar in meinem Wikifolio:

Am Tag vor der Veröffentlichung des Zinsentscheids durch die FED forderte US-Präsident Trump die FED nochmals auf, ihre Geldpolitik zu überdenken und neben dem Stopp der Zinserhöhungen auch den Abbau ihrer durch die Wertpapierkäufe angeschwollene Bilanz zu verlangsamen, was wiederum die Hoffnungen der Anleger auf eine lockerere Geldpolitik schürte. In diesem Zusammenhang verfasste ich den folgenden Kommentar:

Schließlich wurden am 19. Dezember 2018 die geldpolitischen Entscheidungen der FED veröffentlicht und die Hoffnungen der Börsianer in Bezug auf eine (weiterhin) lockere Geldpolitik platzten endgültig, sodass die Bullen kapitulierten und sich die Verkaufswelle beschleunigte:

2) Die Enttäuschung über eine selbstverschuldete Euphorie im Handelsstreit zwischen den USA und China, welche nicht erfüllt werden konnte.

Der zweite wesentliche Faktor, der meines Erachtens zum Meltdown an der Börse beitrug, stellt die Enttäuschung über eine selbstverschuldete Euphorie in Bezug auf eine Einigung im Handelsstreit zwischen den USA und China dar, welche nicht erfüllt werden konnte.

Fast täglich wurden Anleger mit Berichterstattungen konfrontiert, wonach es Fortschritte bei den Verhandlungen zwischen den USA und China geben würde, was dann aber entweder seitens der Regierungsvertreter dementiert oder inkonsistente Aussagen unterschiedlicher Minister zur Folge hatte.

Während die Hoffnungen auf eine Beilegung des Handelskonflikts kurz vor dem Treffen zwischen Donald Trump und Xi Jinping den Höhepunkt erreichten, kam es im Anschluss daran zu widersprüchlichen Aussagen seitens der US-Medien und chinesischen Quellen, was die kurzweilige Euphorie am Aktienmarkt wieder verfliegen ließ und Kurseinbrüche zur Folge hatte. Das Treffen stellte sich eher als einzigartige Show-Einlage ohne konkrete Ergebnisse heraus. In diesem Zusammenhang verfasste ich in meinem Wikifolio den folgenden Kommentar:

Die Vorgehensweise der FED in Verbindung mit den unerfüllten Versprechungen der US-Regierung trugen dazu bei, das Vertrauen der Anleger in die FED und den US-Präsidenten zu erschüttern. Laut André Kostolany ist das Vertrauen der Börse in den US-Präsidenten ein wichtiger Faktor für eine haussierende Börse.

Zusätzlich Öl ins Feuer gossen am 24. Dezember 2018 der US-Präsident Donald Trump und der US-Finanzminister Steven Mnuchin. Der US-Präsident twitterte, dass die FED das einzige Problem der US-Wirtschaft sei. Parallel dazu wurde in den Medien über eine potenzielle Absetzung des Notenbankchefs Jerome Powell gemunkelt (siehe folgenden Tweet):

Falls du aufmerksam gelesen hast, fällt dir auf, dass Donald Trump von einem „Handelskrieg“ spricht, was ich bislang in der Klarheit nicht von ihm registrierte und die Eskalationsstufe mit China auf eine neue Ebene hebt. Dies könnte auch für zusätzlichen Abgabedruck an der Börse gesorgt haben, da die Hoffnungen auf eine baldige Beilegung des „Handelskriegs“ gesunken sind.

Verheerender wirkte allerdings die Aussage des US-Finanzministers Steven Mnuchin, der für Verwirrungen sorgte, nachdem er vermeldete, dass er sich mit den CEOs der sechs großen US-Banken ausgetauscht habe und ausreichend Liquidität an den Märkten sichergestellt sei. Dies weckte Befürchtungen über eine heranziehende Krise von größerem Ausmaß, was zu zusätzlicher Nervosität und zunehmendem Abgabedruck an der US-Börse führte. Diese Reaktion der Börse ist verständlich, denn suchst du einen Arzt auf, wenn du gesund bist? Ich zumindest nicht.

Außerdem gab es Gerüchte, dass er sich mit dem sogenannten „Plunge Protection Team“ austauschen wolle (eine Arbeitsgruppe, welche insbesondere in turbulenten Marktphasen Lösungsansätze zur Stabilisierung der Finanzmärkte erarbeiten soll; siehe folgenden Tweet).

Neben den oben aufgezählten Punkten kommt hinzu, dass zuletzt die Konjunkturprognosen für die USA, Europa und China gesenkt wurden. In Bezug auf China gibt es Meldungen, dass sich der Konsum abschwächt und zum Beispiel der Automobilabsatz auf dem tiefsten Stand seit sieben Jahren befindet. Um den Konsum anzuheizen, plane die chinesische Regierung eine Lockerung der Geldpolitik sowie Steuersenkungen. Unter der Berücksichtigung, dass China insbesondere für die deutsche Autoindustrie ein wichtiger Absatzmarkt ist und die Autoindustrie einen wichtigen Bestandteil der deutschen sowie europäischen Wirtschaftsleistung darstellt, sind derartige Entwicklungen mit großer Aufmerksamkeit zu verfolgen.

Ferner kamen in der Zwischenzeit weitere Gewinnwarnungen hinzu, welche die Stimmung der Börsianer zusätzlich belasten. Erwähnenswert sind zum Beispiel die Gewinnwarnungen von BASF (das Ebit soll um 15-20% sinken) und Fresenius. Eine verheerende Wirkung hatte die Gewinnwarnung des Online-Modehändlers Asos, dessen Kurs am Tag der Gewinnwarnung um 40% sank, nachdem insbesondere im November ein Nachfragerückgang der Konsumenten vermeldet wurde. Asos zog die Aktienkurse von Zalando und anderen europäischen Einzelhändlern mit in die Tiefe. Gleichzeitig vermeldete auch die Hornbach Baumarkt AG einen Ertragsrückgang von 67%, was vor allem an der unbefriedigenden Ertragsentwicklung im November liegen würde (Achtung, beide Gewinnwarnungen wurden auf den Monat November zurückgeführt!). Diese Meldungen trugen unter anderem dazu bei, dass parallel zu den oben genannten Faktoren die Angst in Bezug auf eine herannahende Rezession angeheizt wurde.

Darüber hinaus kommen noch die aktuellen politischen Unruhen (z. B. Brexit, Haushaltsdefizit Italien, Government Shutdown in den USA) hinzu, welche das Gemüt der Anleger zusätzlich beunruhigen.

Schauen wir uns nun im Folgenden an, wie es weitergehen könnte.

3. Wie geht es weiter?

„There’s a difference between knowing the path and walking the path.”
– Morpheus, Matrix

Laut den Ausführungen von Ken Fisher, welche ich bereits in meinem Artikel Marktanalyse vom 21.10.2018 – Bärenmarkt loading? dargestellt hatte, rutscht der Markt während der ersten 10-20% nach einem Höchststand langsam ab (2/3 der Zeit). Zwei Drittel des Absturzes passieren hingegen während 1/3 der Zeit. Basierend auf diesen Aussagen lässt sich folgende Berechnung aufstellen (siehe Grafik):

Potenzieller Kursrückgang im S&P 500 gemäß der 1/3-2/3-Regel von Ken Fisher; Quelle: Onvista, eigene Berechnung

 

Demzufolge wurden bei 2.600 Punkten in S&P 500 das erste Drittel der Kursverluste markiert (entspricht minus 10%) und der Index könnte bis auf 2.000 Punkte fallen, womit die restlichen 2/3 der Kursverluste realisiert wären (entspricht Kursverlusten von weiteren 20%). Das erste Drittel der Kursverluste wurde innerhalb von rund elf Monaten im Zeitraum Januar-November 2018 realisiert (2/3 der Zeit), sodass ungefähr im März 2019 ein Boden gefunden werden könnte (entspricht 1/3 der Zeit).

Ferner können laut Ken Fisher Bärenmärkte und Rezessionen unabhängig voneinander auftreten. Nach meinem Empfinden führt das unter Anlegern zu Verwirrungen, da sie bei einem Bärenmarkt zwangsläufig an eine Rezession denken, was aber angesichts der aktuell gemeldeten Wirtschaftsdaten nicht der Fall zu sein scheint (wobei Rezessionen immer erst im Nachhinein erkannt werden).

Gleichwohl ist zu berücksichtigen, dass dies nur theoretische Annahmen darstellen und die Börse mehr als nur reine Mathematik ist. Wenn die Börse mit mathematischen Formeln lösbar wäre, wären Mathematiker sicherlich die besten Anleger. Doch zum Glück lässt sich die Börse nicht anhand einer einfachen Gleichung lösen. Nicht umsonst titulieren André Kostolany und Peter Lynch die Börse nicht als Wissenschaft, sondern als Kunst. Ich war in der Schule ohnehin nie ein Mathe-Fan, sondern eher der Sprachen-, Geschichts- und Gemeinschaftskunde-Typ.

Ausgehend vom „Ei des Kostolany“, welches ich in meinem folgenden Artikel #16: Amazon – drei Gründe warum sich der Aktienkurs halbieren könnte präsentiert hatte, vermute ich, dass wir uns gerade in der Phase 2, das heißt in der Phase der Begleitung befinden (Umsatz ist steigend, Zahl der Aktienbesitzer nimmt weiter ab). Der Grund hierfür ist, dass sich die Kursverluste in den letzten Tagen beschleunigt haben und die Umsätze offensichtlich gestiegen sind. Außerdem wurden am Montag leider meine Tesla- und Nike-Shorts von meinem Broker aufgelöst, was darauf schließen lässt, dass der Verkaufsdruck seitens der Anleger aktuell zunimmt.

Meine persönliche Vermutung wäre, dass der S&P 500 auf das Vor-Trump-Niveau fallen könnte, was ebenfalls rund 2.000 Punkten im S&P 500 entspricht. Alles was darunter liegt, könnte gemäß Kostolanys Ausführungen in die Phase 3, d. h. in die Phase der Übertreibung fallen (ganz großer Umsatz; Zahl der Aktienbesitzer ist niedrig), sofern es keine fundamentalen Gründe für einen weiteren Ausverkauf geben sollte (z. B. Rezession). Warum ich so denke? Zum einen haben sich die konjunkturellen Hoffnungen infolge der Wahl von Donald Trump als aktuell leer erwiesen und die Konjunktur wurde durch den Handelskrieg eher belastet als gefördert.

Zum anderen hatte die Steuerreform in Bezug auf die Unternehmensgewinne und die Repatriierung von Cashreserven der US-Unternehmen einen eher kurzfristigen Effekt (auf die Anlegerpsychologie). Aktuell überwiegt eher die Meinung, dass die Liquidität, welche neben der lockeren Geldpolitik auch auf die massiven Aktienrückkaufprogramme der US-Unternehmen zurückzuführen ist, gegenwärtig auf einem Rekordstand notiert und in Zukunft tendenziell sinken könnte.

Ferner ist zu erwähnen, dass die „buy-the-dip“-Mentalität in einem Bärenmarkt eher verheerend ist und stattdessen die „sell-the-rally“-Mentalität an Bedeutung gewinnt. Diese Phase ist durch tiefere Tiefs und tiefere Hochs gekennzeichnet. Die Kurse sinken nicht kontinuierlich und linear, sondern es gibt regelmäßig Rallys (sog. „sucker-rallys“), die sich zum Abbau der Positionen eignen (siehe hierzu exemplarisch die Kursentwicklung des S&P 500 im Zeitraum 2007-2009 während der Finanzkrise):

Kursverlauf im S&P 500 während der Finanzkrise im Zeitraum 2007-2009, Quelle: Onvista, eigene Kommentare
Kursverlauf im S&P 500 während der Finanzkrise im Zeitraum 2007-2009, Quelle: Onvista, eigene Kommentare

 

Zwei Faktoren, die den Ausverkauf weiter anheizen könnten, sind Stop-Limits und Margin Calls. Margin Calls treten insbesondere bei Spekulanten auf, die auf Kredit spekulieren. Wenn ihre Annahmen nicht aufgehen und zu stark gegen sie laufen, müssen sie ihre Positionen zwangsweise auflösen, was zusätzlichen Verkaufsdruck oder bei stark geshorteten Aktien (z. B. Tesla) sogar Kaufdruck auslösen kann, da Margin Calls in beide Richtungen wirken. Außerdem kann es in turbulenten Phasen dazu kommen, dass die Broker die Margin-Anforderungen erhöhen, was nochmals Öl ins Feuer gießt und die Abwärtsspirale beschleunigt.

4. Fazit

„If you are not prepared for tough times, you can’t be prepared once times get tough. You need the army before the war starts.“
– Jamie Dimon, CEO von JP Morgan

Laut André Kostolanys Ausführungen in seinem Buch „[amazon_textlink asin=’3548375901′ text=’Die Kunst, über Geld nachzudenken‘ template=’ProductLink‘ store=’realfinanci0a-21′ marketplace=’DE‘ link_id=’a3be8e54-0849-11e9-ba9f-1d9228093c3b‘]“ stellen das Geld (= Liquidität) und die Psychologie die wichtigsten Einflussfaktoren für die Kursentwicklung dar. Sind beide Faktoren positiv, führt dies zu steigenden Kursen. Sind beide Faktoren negativ, kommt es zu sinkenden Kursen. Ist einer der Faktoren positiv und der andere negativ, kommt es zu einer Seitwärtsbewegung, wobei der Faktor Geld laut Kostolany der wichtigere Einflussfaktor sei.

Zusammenfassend ist die Psychologie der Anleger aktuell schlecht und die Liquidität am Markt sinkt.  Ein Umfeld der Unsicherheit und Angst gepaart mit sinkender Liquidität ist der perfekte Nährboden für Shortseller, welche auf sinkende Kurse spekulieren.

Ferner scheint aktuell das Vertrauen der Anleger in die US-Regierung und die FED erschüttert worden zu sein, was die Negativstimmung in Verbindung mit fallenden Kursen zusätzlich anheizt. Um sich dem Negativtrend zu entziehen, braucht der Markt laut Kostolany einen „Elektroschock“ oder einen Paukenschlag. Dies könnte zum Beispiel eine überraschende Abweichung der FED von der geldpolitischen Straffung oder eine überraschende Wende im Handelskrieg zwischen den USA und China sein.

Mir persönlich erscheint ein Kauf in Bezug auf steigende Kurse und auf langfristige Positionen noch zu früh. Zum einen ist der monetäre Rückenwind seitens der Zentralbanken erst einmal verloren gegangen. Zum anderen kann die Wirtschaft aufgrund des Handelskriegs nicht ohne Hemmungen wachsen. Ferner werden die globalen Wachstumsprognosen gesenkt, was in Verbindung mit steigenden Zinsen eine toxische Wirkung entfalten kann.

Aktuell fühle ich mich auf der Shortseller-Seite ganz wohl und verdiene an sinkenden Kursen mit, solange der Abwärtstrend anhält und muss nicht auf steigende Kurse hoffen. Genau wie ich mich auf diesen Bärenmarkt im Vorfeld vorbereitet habe, plane ich nun, mich auf den nächsten Bullenmarkt vorzubereiten und einen Schlachtplan zu erstellen. Gleichzeitig ist es wichtig, flexibel zu sein und schnell umzudenken, falls sich die Rahmenbedingungen verändern.

Beeindruckend finde ich auch die Tatsache, dass die europäischen und die japanischen Börsen trotz Negativzinsen, Anleihekaufprogrammen und Aktienkaufprogrammen (Japan) in einen Bärenmarkt schlittern (Schweden hat sogar zum ersten Mal seit 2011 die Zinsen erhöht, wobei diese immer noch im Negativbereich sind). Wenn eine Wirtschaft zehn Jahre Nullzinsen benötigt, um zu expandieren, dann ist meiner Meinung nach nicht die Höhe der Zinsen Schuld an fehlendem Wachstum, sondern eine miserable Fiskalpolitik. Auf der anderen Seite wurde Smart Money dank dieser Politik noch wohlhabender.

Abschließend ist zu berücksichtigen, dass an der Börse nie alles schwarz oder weiß ist, sondern du als Anleger Entscheidungen treffen und die Verwantwortung für deine Entscheidungen zu tragen hast. Wie ich es in meinem letzten Artikel bereits beschrieben habe: vertraue an der Börse niemandem, außer dir selbst.

Möchtest du lernen, wie du Aktien leer verkaufen kannst, um an sinkenden Kursen zu verdienen oder dein Vermögen gegen potenzielle Kursverluste abzusichern? Dann trage dich im Newsletter ein. Ich plane bald einen Beitrag hierzu zu verfassen.

Möchtest du mehr über den Bärenmarkt und die Absicherung deines Vermögens lernen, dann kann ich dir das Buch von [amazon_textlink asin=’389879279X‘ text=’Ken Fisher – Das zählt an der Börse‘ template=’ProductLink‘ store=’realfinanci0a-21′ marketplace=’DE‘ link_id=’b2487b38-0849-11e9-b64a-33878069fcf8′] empfehlen. Er präsentiert darin, wie er sich selbst in einem potenziellen Bärenmarkt absichert.

Zusammenfassend betrachtet war 2018 ein tolles Jahr, in dem ich sehr viel Neues gelernt und tolle neue Erfahrungen gesammelt habe.

Ich wünsche dir schöne Feiertage, einen guten Start ins Neue Jahr und ein erfolgreiches neues (Börsen-)Jahr.

PS: Ich hatte in meinem Artikel Marktanalyse vom 27.10.2018 – Party is over? erwähnt, dass viele Anleger mit der Absicht investieren, dass es eine Jahresendrally oder eine Kursrally nach den Midterm Elections in den USA geben könnte. Ich fügte hinzu, dass für mich die Chancen 51:49 stehen, dass es zu keiner Jahresendrally kommen wird. Warum ich dies denke, wollte ich offenbaren, falls sich meine Annahme bestätigt. Es hatte einen ganz einfachen Grund und es ist an der Zeit das Geheimnis zu lüften. Kostolany nennt es das Phänomen des Fait Accompli. Die Börsianer kaufen/verkaufen in Erwartung eines bestimmten Ereignisses. Tritt das Ereignis dann ein, reagiert die Börse genau umgekehrt, statt zu fallen, steigen die Kurse und statt zu steigen, fallen die Kurse. Alle, die eine Jahresendrally erwartet hatten, hatten bereits im Vorfeld gekauft, sodass es einfach keine Käufer mehr gab, um eine Jahresendrally anzustoßen. C’est ça. 

Dynamische Grüße,

Güner Soysal, 25.12.2018
Founder & CEO, Investment Analyst (M.A.)

Quellen & Links

Sämtliche Inhalte nach bestem Wissen und Gewissen, aber ohne Gewähr für Aktualität, Richtigkeit, Vollständigkeit und Genauigkeit. Die Kolumne dient nur der Information und stellt keine Aufforderung zum Kauf oder Verkauf der erwähnten Wertpapiere dar. Der Autor haftet nicht für materielle und/oder immaterielle Schäden, die durch die Nutzung oder Nichtnutzung der Inhalte oder durch die Nutzung fehlerhafter und unvollständiger Inhalte verursacht wurden.

Offenlegung von Interessenskonflikten: Der Autor hält zum Zeitpunkt der Veröffentlichung direkt oder mittelbar Positionen in den erwähnten Wertpapieren: Short-Position Amazon, Short-Position Tesla. Der Autor beabsichtigt nicht, innerhalb von 36 Stunden nach Veröffentlichung direkt oder mittelbar Transaktionen in den erwähnten Wertpapieren zu tätigen.

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8 Gedanken zu „Marktanalyse vom 25.12.2018 – Willkommen im Bärenmarkt!

  1. Hallo Güner,

    erstmal Glückwunsch dazu, dass du den Crash kommen sehen hast. Wer lange genug dabei ist weiß: Was hoch fliegt, fällt tief. Aus diesem Grund habe ich meine Tech-Werte ebenfalls bereits im August abgestoßen. Wir sollten aber auch so demütig sein und zugeben, dass an der Börse jederzeit alles möglich! Und deshalb ist es vom Risikomanagent her Unsinn jetzt zu 100% Short zu sein. Genauso falsch wäre es, jetzt zu 100% Long zu sein. Wenn man Timing betreibt, geht es um Wahrscheinlichkeiten und nicht um Gewissheiten. Alles andere ist Glaskugel. In der jetzigen Phase ist das Chance-Risiko-Verhältnis am Größten, wenn man in fallende Bewertungen mit steigenden Beträgen hineininvestiert. Den hypothetischen Tiefpunkt muss (ebenfalls nach Wahrscheinlichkeiten) jeder für sich selbst bestimmen. Eine reine Short-Strategie ist pure Spekulation und kein Investmentansatz.

    Viele Grüße
    Götz

    1. Hallo Götz,
      danke für deinen Kommentar und Glückwunsch, dass du deinen Ausstieg so gut timen konntest! Von einem Crash würde ich nicht sprechen, aber es ist natürlich schön, die Kursverluste nicht mitzunehmen und aktuell die Möglichkeit zu haben, günstiger nachzukaufen. Ich schließe mich dir an, was die Short- und Long-Positionen angeht. Selbstverständlich bin ich auch nicht komplett short, das wäre meines Erachtens der pure Wahnsinn und viel zu riskant.
      Wie du es auch schon beschreibst, an der Börse ist alles möglich und das Blatt kann sich innerhalb von Minuten auch gegen einen wenden. Daher ist es wichtig, seine Risiken gut im Auge zu behalten, flexibel zu sein und schnell agieren zu können.
      Viel Erfolg weiterhin!
      LG,
      Güner

  2. Hallo Güner, mit großem Interesse gelesen und sehr angetan über die Tatsache, dass eigene Zweifel und Fehleinschätzungen offen eingeräumt werden. Das überzeugt mich. Bin an weiteren Infos interessiert…
    Weiter viel Erfolg!
    Mit freundlichem Gruß
    Peter

  3. Hallo Güner,

    wie genau wählst du Short-Produkte aus? Ein Artikel von dir über derartige Produkte wären sehr spannend. Auf diesem Gebiet fehlt mir z.B. jegliches Wissen!

    Viele Grüße
    Claus

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