Aktienanalysen

#8: Spotify – warum ich die Aktie nicht mal mit der Kneifzange anfassen würde

1. Ausgangssituation

„An der Börse muß man nicht alles wissen, nur alles verstehen. Und auch wenn man alles versteht, muß man nicht alles mitmachen.“
– A. Kostolany 

Nach den zuletzt Aufsehen erregenden Börsengängen von Snapchat und Dropbox folgte in diesem wieder etwas volatiler gewordenem Markt mit Spotify das nächste spektakuläre Tech-IPO an der New York Stock Exchange. Der nach eigenen Angaben weltweit führende Musikstreaming-Anbieter ging am 3. April 2018 zu einem Marktwert in Höhe von USD 29,4 Milliarden an die Börse. Dabei wählte Spotify den eher ungewöhnlichen Weg einer Direktplatzierung.

Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Spotify Emissionsprospekt
Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Spotify Emissionsprospekt

Meine erste Begegnung mit Spotify hatte ich vor ein paar Jahren, als ich mir die App heruntergeladen, aber den Sinn dahinter nicht wirklich verstanden hatte. Ich konnte weder die gewünschte Musik abspielen, noch vorspulen oder mich frei in der Mediathek bewegen. Es gab noch ein paar Playlists, die ich aber allesamt uninteressant fand. Unzufrieden und frustriert habe ich die App von meinem Smartphone gelöscht. Jung, naiv und im Alltag gefangen, habe ich damals das Potenzial nicht erkannt und mich nicht näher mit dem Geschäftsmodell auseinandergesetzt. Schließlich hatte ich ja meine Lieblingsmusik per mp3-Dateien auf meinem Smartphone und es gab da noch YouTube. Warum sollte ich mich also mit so einer doofen App herumschlagen, bei der ich nicht mal meine Lieblingsmusik abspielen oder Songs, die mir nicht gefallen, nicht überspringen kann?

Wie heißt es so schön: man sieht sich immer zweimal im Leben. Mitte letzten Jahres bin ich zum zweiten Mal auf Spotify gestoßen und diesmal wurde meine Aufmerksamkeit in höherem Maße geweckt. Ich war gerade dabei einen Tesla Probe zu fahren als mich der Verkäufer fragte, welche Musik ich hören möchte. Tesla bot Spotify als Musikstreamingdienst an. Ich konnte also meinen Lieblingssong und Millionen andere Songs während der Fahrt – jederzeit und überall – abspielen ohne CDs oder einen mp3-Player im Auto zu haben. Dort habe ich die Funktion von Spotify verstanden, sodass meine Wahrnehmung hinsichtlich Spotify nunmehr geschärft war. Gleichzeitig kamen immer wieder Gerüchte auf, dass Spotify in naher Zukunft an die Börse gehen möchte.

Als passionierter Börsianer habe ich natürlich schon das Geld gerochen und entschieden, mich intensiver mit Spotify, dessen Geschäftsmodell und Zukunftsaussichten auseinanderzusetzen, sobald der Börsengang feststünde. Ohne mir die Geschäftsentwicklung angesehen zu haben und unter der Berücksichtigung des Börsenerfolgs von vergleichbaren Unternehmen (u. a. Netflix), hatte ich damals schon im Innern entschieden, einer der Ersten zu sein, der die Aktie kaufen würde, sobald sie an der Börse gelistet ist. Jedoch habe ich meine Euphorie bremsen können und wollte mir zunächst eimal die Daten und Fakten anschauen. Falls du auch einer der Euphoriker bist, ist diese Analyse genau das Richtige für dich.

Ich habe Spotify auf Herz und Nieren geprüft. Ich verspreche dir, du wirst Dinge lesen, die du sonst nirgendwo zu lesen bekommst. Nachdem du die Analyse gelesen hast, wirst du Spotify mindestens genauso gut kennen wie ich und dir ein sehr klares Bild über ein potenzielles Investment machen können. Du wirst es definitiv nicht bereuen. Let the show begin!

2. Entstehungsgeschichte

Wie die nachfolgende Abbildung veranschaulicht, befanden sich die Umsätze der Musikindustrie seit 1999 für fast zwei Jahrzehnte im Abwärtstrend. Die weltweiten Umsätze der Musikindustrie schrumpften dabei von USD 23,8 Milliarden in 1999 um 40% auf bis zu USD 14,3 Milliarden in 2014. Als Hauptursachen zählen die Disruption der Musikindustrie infolge der Digitalisierung und die zunehmende Verbreitung von Raubkopien. Obwohl global massenweise Musik konsumiert wurde, gelang es der Industrie nicht, den Konsum zu monetarisieren (hier).

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Globaler Umsatz in der Musikindustrie 1999-2016 (in Mrd. USD), Quelle: Global Annual Music Report 2017

 

Daniel Ek, ein damals 23-jähriger Jungunternehmer aus Schweden, der bereits mehrere Internet-Unternehmen zu College-Zeiten gegründet hatte, war der Ansicht, dass es einen effektiveren Weg für Künstler geben musste, um ihre Arbeit zu monetarisieren und einen einfacheren Weg für Zuhörer, um Musik zu hören. Er kombinierte seine Passion für Musik und Technologie und gründete gemeinsam mit Martin Lorentzon den Musikstreamingdienst Spotify (hier).

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Daniel Ek, Gründer und CEO, Quelle: Spotify

Schließlich gelang es der Musikindustrie ab dem Jahr 2015 mit einer Wachstumsrate von 3% auf den Wachstumspfad zurückzufinden und die höchste Wachstumsrate der vergangenen zwanzig Jahre zu verzeichnen. Haupttreiber hierfür sind die steigenden Streaming-Umsätze, die alleine in 2016 mit einer Wachstumsrate von 60% gewachsen sind, während der Umsatz mit physischen Verkäufen und Downloads weiter gesunken ist (hier).

Der gegenwärtige Spotify-CEO und Chairman Daniel EK sieht dabei sein Unternehmen nicht als Disruptor, sondern vielmehr als Teil der Evolution der Musikindustrie (hier).

3. Geschäftsmodell

Heute ist Spotify nach eigenen Angaben der weltweit führende Musikstreaming-Anbieter mit 159 Millionen monatlich aktiven Nutzern, wovon mit 71 Millionen knapp die Hälfte zahlende Kunden darstellen. Das Unternehmen bietet seinen Service weltweit in 61 Ländern an. Im März 2018 kamen mit Israel, Rumänien, Südafrika and Vietnam vier weitere Länder hinzu. Die meisten Nutzerzahlen erreicht Spotify in den USA, in Brasilien und im Vereinigten Königreich. Ferner ist Spotify in seinem Heimatland Schweden mit einem Marktanteil von 95% unangefochtener Marktführer. In 2016 hatte das Unternehmen mit einem Umsatz von knapp drei Milliarden Euro einen Marktanteil von 42% am globalen Musikstreaming-Markt und war auch in diesem Bereich Marktführer (hier).

Das Streamingangebot von Spotify unterteilt sich in die beiden Modelle „Ad-Supported-Service“ und „Premium-Service“. Der Ad-Supported-Service ist kostenlos. Allerdings kommt es in regelmäßigen Zeitabständen zu Werbeunterbrechungen und der Zugang zur Musikmediathek ist sehr eingeschränkt. Dieser Service bietet sich vielmehr an, um in Spotify vorprogrammierte Playlists abzuspielen. Es existieren eine Vielzahl von Playlists für nahezu jeden Anlass (z. B. Stimmungsmacher, Kaffeehausmusik, Dusch-Playlist).

Im Gegensatz dazu haben Premium-Nutzer gegen Zahlung einer monatlichen Gebühr unbeschränkten Zugang auf mehr als 35 Millionen Musiktitel, welche sie ohne Werbeunterbrechungen sowie mit und ohne Internetverbindung abrufen können.

In Deutschland kann das Premium-Abo für EUR 9,99 im Monat gebucht werden. Das Familien-Abo, womit bis zu sechs Nutzer gleichzeitig Zugriff haben, kostet EUR 14,99 pro Monat. Studenten können das Premium-Abo für EUR 4,99 pro Monat buchen.

Ferner hat Spotify seine Plattform weiter ausgebaut, sodass neben Musikangeboten mittlerweile auch auf Podcasts und Videos zugegriffen und sogar Konzerttickets gebucht werden können.

Spotify verfolgt eine „mobile-first“-Strategie, sodass besonderer Wert auf die Kompatibilität der Plattform mit Smartphones und mobilen Geräten (z. B. Tablets), Autos, Spielekonsolen und Smart-Speakern (z. B. Amazon Echo) gelegt wird.

Die nachfolgende Abbildung veranschaulicht die beiden Abomodelle und die dazugehörigen Services. Eine Weltkarte mit dem globalen Streaming-Angebot und den national gültigen Abo-Preisen samt Umrechnung in US-Dollar findet sich hier.

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Spotify Abo-Modelle und Preise, Quelle: Spotify

 

4. Umsatz- und Kundenentwicklung

In Bezug auf die Umsatzentwicklung lässt sich konstatieren, dass sich der Umsatz im Zeitraum von 2013 bis 2017 mehr als verfünffacht hat. Der Umsatz ist in diesem Zeitraum mit einer jährlichen Wachstumsrate von 53% gewachsen. Gleichwohl veranschaulicht die nachfolgende Abbildung, dass es in 2015 ein überproportionales Umsatzwachstum von 79% gab, jedoch die Wachstumsrate in den beiden Folgejahren auf 52% bzw. 39% gesunken ist (hier). Für das laufende Jahr erwartet das Unternehmen ein Umsatzwachstum von 20-30% (hier). Die folgende Abbildung veranschaulicht die Umsatzentwicklung für den Zeitraum 2013-2018.

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Umsatzentwicklung 2013-2018e (in Mio. €), Stand 26.03.2018, Quelle: Spotify Emissionsprospekt und Ausblick 2018

 

Ferner fällt auf, dass in den Jahren 2015 bis 2017 stets 90% der Umsätze von Premium-Abonnenten und 10% aus Werbeeinnahmen stammen. Eine Information bezüglich der Umsatzverteilung zu vorherigen Zeiträumen liegt nicht vor.

Die Umsätze mit Premium-Abonnenten sind im Jahr 2016 um 52% und im Jahr 2017 um 38% gestiegen. Neben dem Wachstum des Gesamtumsatzes, ist also auch im Umsatzwachstum mit Premium-Abonnenten ein Rückgang festzustellen. Gleichwohl ist das Umsatzwachstum im Premium-Bereich in absoluten Zahlen von EUR 913 Millionen in 2016 auf EUR 1,02 Milliarden in 2017 gestiegen. Analog verhält sich das Umsatzwachstum mit Werbeeinnahmen, welches von EUR 99 Millionen in 2016 auf EUR 121 Millionen in 2017 gestiegen ist. Für 2018 rechnet das Unternehmen mit einem Umsatz in Höhe von EUR 4,9-5,3 Milliarden.

Die Tatsache, dass 90% des Umsatzes aus dem Premium-Bereich stammen, ist auf der einen Seite ein gutes Zeichen, da Spotify auf dieser Basis weniger abhängig von Werbeeinnahmen und dadurch weniger konjunkturanfällig sein sollte. Auf der anderen Seite hat das zur Folge, dass Spotify seine kostenlosen Nutzer zulasten seiner Premium-Abonnenten und seiner Profitabilität subventioniert. Diese Tatsache wird deutlicher, wenn wir uns die folgende Abbildung bezüglich der Umsatzkosten anschauen.

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Umsatz und Umsatzkosten mit kostenlosen Usern, Stand: 31.12.2017, Quelle: Spotify Emissionsprospekt

 

Demzufolge ist Spotify erst seit dem zweiten Halbjahr 2017 in der Lage seine Umsatzkosten im Ad-Supported-Bereich mit den entsprechenden Umsätzen zu decken. Gleichwohl machen zum Jahresende allein die Umsatzkosten 82% der Umsätze im Ad-Supported-Service aus. Im Premium-Bereich fallen die Umsatzkosten minimal geringer mit 75% des Umsatzes aus. Nicht berücksichtigt in den Umsatzkosten sind Forschung- und Entwicklungsausgaben, Marketing- und Vertriebskosten sowie Verwaltungsausgaben, welche im weiteren Verlauf behandelt werden.

Spotify begründet diese Strategie damit, dass der kostenlose Service als „Türöffner“ und wichtiger Absatzkanal zur Gewinnung potenzieller Premium-Abonnenten dient, welche anfangs noch unentschlossen sind, ob sie für das Streamingangebot tatsächlich Geld ausgeben möchten. Bekräftigt wird dieses Argument durch die Tatsache, dass der kostenlose Service seit 2014 rund 60% des Kundenwachstums im Premium-Bereich beigesteuert habe (hier). Ferner habe Spotify auf diese Weise die Möglichkeit wertvolle Informationen über die Nutzer und deren Streaming-Präferenzen zu gewinnen (hier).

Wird die Anzahl der monatlich aktiven Nutzer sowie der Premium-Abonnenten in die Betrachtung einbezogen, fällt auf, dass die Premium-Abonnenten 45% der monatlich aktiven Nutzer darstellen, aber 90% des Umsatzes beisteuern (siehe folgende Abbildung).

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Premium-Abonnenten und MAUs 2013-2018e (in Mio.), Stand: 26.03.2018, Quelle: Spotify Emissionsprospekt und Ausblick 2018

 

Ferner lässt sich auch im Hinblick auf die Premium-Abonnenten und MAUs konstatieren, dass die prozentuale Zunahme in den letzten beiden Jahren nachgelassen, aber das absolute Wachstum gestiegen ist. Für 2018 rechnet Spotify mit 92-96 Millionen zahlenden Nutzern und insgesamt 198-208 Millionen monatlich aktiven Nutzern (hier). Sollte tatsächlich in beiden Fällen nur die untere Spanne der Prognosen erreicht werden, hätte das auch in absoluten Zahlen einen Rückgang des Kundenwachstums zur Folge.

Im Falle der MAUs und Premium-Nutzer ist allerdings auch zu berücksichtigen, dass die Einführung des Familien-Abomodells im April 2016, bei welchem bis zu sechs (Familien-)Mitglieder Spotify nutzen können, einen signifikanten Einfluss auf das Wachstum der Nutzerzahlen hatte.

Nachdem wir uns die Umsatz- und Kundenentwicklung veranschaulicht haben, schauen wir uns doch im Folgenden an, wieviel durchschnittlichen Umsatz pro Premium-Nutzer generiert wird. Dabei lässt sich feststellen, dass der durchschnittliche Umsatz pro Premium-Nutzer in den vergangenen drei Jahren kontinuierlich gesunken ist. Während der Premium ARPU in 2015 bei EUR 6,84 lag, reduzierte er sich in 2017 auf EUR 5,32. Dies entspricht einem Rückgang von 22%. Laut Spotify ist dies in erster Linie auf das Familien-Abomodell zurückzuführen, bei welchem bis zu sechs Nutzer gleichzeitig Spotify nutzen können, sodass sich der Umsatz auf mehrere Nutzer aufteilt (siehe folgende Abbildung).

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Premium ARPU 2015-2017 (in €), Stand: 31.12.2017, Quelle: Spotify Emissionsprospekt

 

Im Gegenzug ist laut Spotify die Absprungrate (engl. Churn), dank des Familien-Abomodells, in den letzten beiden Jahren kontinuierlich von 6,9% pro Monat im ersten Quartal 2016 auf 5,1% im vierten Quartal 2017 gesunken, wie die folgende Abbildung veranschaulicht.

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Absprungrate Premium-Abonnenten 2016-2017; Quelle: Spotify Emissionsprospekt

 

5. Kostenentwicklung

Das Umsatz- und Kundenwachstum von Spotify ist in der Tat beeindruckt. Trotzdem steht überall in den Medien geschrieben, dass Spotify Verluste macht. Gleichzeitig ist zu lesen, dass Spotify umso mehr Verluste macht, je mehr Musik die Kunden hören. Schauen wir uns nun im Folgenden, warum Spotify in den roten Zahlen steckt.

Zunächst einmal veranschaulicht die nachfolgende Abbildung das Verhältnis von Umsatz, Kosten und Verlusten von Spotify. Das Erste, was was ins Auge springt, ist, dass mit steigendem Umsatz die Verluste wachsen. Den größten Kostenblock stellen dabei die Umsatzkosten dar.

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Spotify Ergebniskennzahlen 2013-2017 (in Mio. €), Stand: 31.12.2017, Quelle: Spotify Emissionsprospekt

 

5.1 Umsatzkosten
Unter Umsatzkosten fallen zum Großteil Lizenzgebühren an die großen Musiklabels und Rechteinhaber in Verbindung mit dem Musikstreaming. Spotify hebt hervor, dass Lizenzvereinbarungen mit einer Vielzahl von Musiklabels abgeschlossen wurden (u. a. Universal Music Group, Sony Music Entertainment, Warner Music Group, Merlin). Die Kalkulation dieser Lizenzgebühren ist komplex und schwer prognostizierbar. Daher wird sie im Emissionsprospekt nur grob geschildert (siehe Emissionsprospekt, S. 19).

Wichtig zu wissen ist jedoch, dass die Lizenzgebühren nicht nur – wie in den Massenmedien dargestellt – von der gestreamten Zeit abhängen, sondern Spotify unabhängig von der abgespielten Musik und der Nutzerzahl pauschal Lizenzgebühren in Höhe von EUR 1,7 Milliarden bezahlen muss. Spotify geht davon aus, dass diese Fixkosten auch in Zukunft anfallen werden (siehe Emissionsprospekt, S. 26). Unter der Berücksichtigung des Umsatzes für 2017 in Höhe von vier Milliarden Euro entspricht dies fast der Hälfte des Umsatzes. Diese Bedingung ist ein Teil der neu verhandelten Lizenzvereinbarungen mit den Musiklabels. Spotify spricht hier sogar von verbesserten Konditionen als in der Vergangenheit (siehe Emissionsprospekt, S. 66). Das heißt, dass Spotify zunächst einmal die Fixkosten decken muss, um überhaupt profitabel wirtschaften zu können.

Ferner fallen die Lizenzgebühren je nach Abo-Modell, Land und abgespielter Musik – variabel oder fix – unterschiedlich hoch aus (siehe Emissionsprospekt, S. 65). In Summe hat Spotify seit Aufnahme seiner operativen Tätigkeit rund zehn Milliarden US-Dollar an Lizenzgebühren gezahlt (hier).

Neben den Lizenzgebühren fallen zusätzlich Transaktionskosten für (Kredit-)Kartenanbieter, Cloud-Anbieter, Kosten für technische Ausstattungen und Produktionskosten für die Plattform unter die Umsatzkosten (siehe Emissionsprospekt, S 66).

Das Problem bei den Umsatzkosten ist, dass Spotify keinen wirklichen Einfluss darauf hat. Im Gegenteil, je mehr Kunden Spotify akquiriert und je mehr Musik die Nutzer hören – was im Sinne von Spotify ist -, umso mehr steigen auch die Kosten.

Während die Umsatzkosten in 2015 bei 88% und in 2016 bei 86% des Umsatzes lagen, konnte dieser Anteil in 2017 auf 79% gesenkt werden. Laut Spotify ist dies auf die neuen Lizenzvereinbarungen mit den Musiklabels zurückzuführen (siehe Emissionsprospekt, S. 66).

Die nachfolgende Abbildung veranschaulicht die Umsatz- und Kostenentwicklung der letzten drei Jahre.

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Spotify Kostenübersicht 2015-2017; Quelle: Spotify Emissionsprospekt

 

5.2 Andere Kosten
Hierunter fallen Forschungs- und Entwicklungskosten, Marketing- und Vertriebskosten sowie Verwaltungskosten. Während die Umsatzkosten nahezu proportional zum Umsatz gestiegen sind (in 2016 um 48%, in 2017 um 28%), sind auch die sonstigen Kosten, sowohl prozentual am Umsatz, als auch absolut gestiegen.

Die Forschungs- und Entwicklungskosten sind von 7% des Umsatzes in 2015 auf 10% des Umsatzes in 2017 gewachsen. Ebenso sind die Marketing- und Vertriebskosten sowie die Verwaltungskosten von 11% bzw. 5% des Umsatzes in 2015 auf 14% bzw. 6% des Umsatzes in 2017 gestiegen.

In Summe haben sich die sonstigen Kosten von 2015 bis 2017 von EUR 461 Millionen auf EUR 1,23 Milliarden nahezu verdreifacht (siehe obere Abbildung).

Laut Spotify ist davon auszugehen, dass die Kosten in Zukunft weiter steigen werden. In Bezug auf die Verwaltungskosten lässt sich das beispielsweise ganz einfach an der gestiegenen Mitarbeiterzahl von 2.084 in 2016 auf 2.960 in 2017 ableiten (siehe Emissionsprospekt, S. 124).

Hinzu kommen in 2018 einmalige Kosten in Höhe von rund EUR 29 Millionen, welche im Zuge des Börsengangs entstanden sind und an Rechts- und Finanzberater sowie als Börsennotierungsgebühren zu entrichten sind (siehe Emissionsprospekt, S. 66).

Darüber hinaus lässt Spotify durchsickern, dass die Investitionen in die Forschung und Entwicklung fortgesetzt werden, was wiederum zu steigen Kosten führen wird (hier).

6. Gewinnentwicklung und Profitabilität

Wie bereits im Abschnitt Kostenentwicklung dargelegt wurde, gelang es Spotify bislang nicht, schwarze Zahlen zu schreiben. Im Gegenteil: der operative Verlust nahm in den vergangenen 5 Jahren kontinuierlich zu und vervierfachte sich nahezu im Zeitraum 2013 bis 2017.

Die Zunahme des operativen Verlustes hängt damit zusammen, dass die Umsatzkosten nahezu proportional zum Umsatz wachsen. Gleichzeitig steigen auch die Kosten für Forschung und Entwicklung, Marketing und Vertrieb sowie Verwaltung.

Die Rohertragsmarge lag in 2015 bei bei 12%, in 2016 bei 14% und in 2017 bei 21% (die Rohertragsmarge errechnet sich durch die Differenz von Umsatz und Umsatzkosten). Laut Unternehmensangaben verbesserte sich die Rohertragsmarge in 2017 infolge der neuen Lizenzvereinbarungen mit den Musiklabels (hier).

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Übersicht operatives Ergebnis, Stand: 31.12.2017, Quelle: Spotify Emissionsprospekt

 

Die nachfolgende Abbildung veranschaulicht die Entwicklung des operativen Verlustes im Zeitraum von 2013 bis 2018. Auffällig ist, dass der operative Verlust absolut gestiegen ist, aber sich prozentual etwas abgeschwächt hat. Während der operative Verlust im Jahr 2014 um 95% gestiegen ist, stieg er im Jahr 2017 nur noch um 8%. Eine richtige Tendenz ist allerdings nicht zu erkennen.

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Operativer Verlust 2013-2018e (in Mio. €), Stand: 26.03.2018, Quelle: Spotify Emissionsprospekt und Ausblick 2018

 

Für 2018 rechnet Spotify mit einem operativen Verlust in einer Spanne von EUR 250 bis 330 Millionen. Hierbei sind einmalige Kosten von EUR 35-40 Millionen für den Börsengang eingerechnet. Somit würde der operative Verlust im Jahr 2018 im Vergleich zum Vorjahr erstmalig einen Rückgang verzeichnen. Je nach Ergebnis würde der operative Verlust um 13% (EUR 250 Mio.) bis 34% (EUR 330 Mio.) sinken.

Eine Erläuterung darüber, wie der operative Verlust gesenkt werden soll, findet sich im Ausblick für 2018 leider nicht. Gleichwohl soll die Rohertragsmarge auf 23-25% steigen. Insofern liegt die Annahme nahe, dass das prognostizierte Umsatzwachstum auf EUR 4,9-5,3 Milliarden in 2018 und die verbesserte Rohertragsmarge infolge der neuen Lizenzvereinbarungen mit den Musiklabels hierzu beitragen sollen.

In der nachfolgenden Abbildung ist das Bilanzergebnis von Spotify dargestellt. Genauer gesagt handelt es sich durchgehend um Verluste, welche seit dem Berichtszeitraum 2013 ebenfalls kontinuierlich gestiegen sind. Während der Bilanzverlust im Jahr 2013 noch EUR 63 Millionen betrug, ist dieser in 2017 auf EUR 1,24 Milliarden gestiegen.

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Bilanzverlust 2013-2018e, Stand: 31.12.2017, Quelle: Spotify Emissionsprospekt

 

Während sich der Bilanzverlust bis zum Jahr 2015 fast eins zu eins am operativen Verlust orientierte, stieg dieser in 2016 und 2017 sprunghaft an. Doch woran liegt es, dass der Bilanzverlust im Vergleich zum operativen Verlust derart immens gestiegen ist?

Die Klärung dieser Frage bedarf einer detaillierten Betrachtung der Ergebnisrechnung von Spotify. Dabei fällt auf, dass in 2016 und 2017 die Finanzierungskosten sprunghaft angestiegen und einen erheblichen Einfluss auf das Bilanzergebnis hatten. Der sprunghafte Anstieg der Finanzierungskosten steht in Verbindung mit einer im April 2016 emittierten Wandelanleihe in Höhe von einer Milliarde Euro und deren Bilanzierung. Dadurch ergaben sich buchhalterische und nicht-Cash-wirksam zu verbuchende Finanzierungskosten in Höhe von EUR 310 Millionen in 2016 und EUR 638 Millionen in 2017 (siehe Emissionsprospekt, S. 74). Aufgrund der Tatsache, dass die Wandelanleihe per Januar 2018 vollständig in Aktien umgewandelt wurde, sollte sich dieser Effekt zukünftig nicht mehr auf das Bilanzergebnis auswirken (siehe Emissionsprospekt, S. 8).

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Finanzierungskosten 2013-2017 (in Mio. €), Quelle: Spotify Emissionsprospekt

 

Der Verlust pro Aktie betrug EUR 8,14 bei einer ausstehenden Aktienzahl von 151.668.769 in 2017. Übertragen auf das operative Ergebnis ergibt sich bei derselben Aktienzahl ein operativer Verlust von 2,49 EUR pro Aktie.

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Ergebnis pro Aktei 2013-2017 (in €), Quelle: Spotify Emissionsprospekt

 

Eine Prognose in Bezug auf die zukünftige Gewinnentwicklung gestaltet sich schwierig. Zumal Spotify in seinem Ausblick für 2018 ebenfalls keine Prognose hierzu abgegeben hat. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass aufgrund der Tatsache, dass in den beiden Jahren zuvor der Bilanzverlust aufgrund des buchhalterischen Effekts der Wandelanleihen im Verhältnis zum operativen Verlust überproportional gestiegen ist, sich dieser Effekt in 2018 aufheben und erneut am operativen Verlust orientieren sollte.

Ausgehend von der von Spotify veröffentlichten Prognose eines operativen Verlustes von EUR 230-330 Millionen, sollte der Bilanzverlust – ausgenommen aktuell nicht einschätzbarer Sondereffekte – voraussichtlich leicht höher ausfallen.

7. Vermögenssituation und Finanzkraft

Die Eigenkapitalquote liegt per 2017 bei 38%, bei einer Eigenkapitalausstattung von EUR 1,2 Milliarden und einer Bilanzsumme von EUR 3,1 Milliarden. Das Unternehmen gibt auf seiner Investor Relations Seite an, schuldenfrei zu sein und liquide Mittel in Höhe von rund EUR 1,5 Milliarden EUR zu haben (siehe folgende Abbildung).

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Cash, cash equivalents und short term investments, Stand: 31.12.2017, Quelle: Spotify Emissionsprospekt

 

Allerdings ist die Aussage, dass Spotify schuldenfrei ist, meines Erachtens mit Vorsicht zu genießen. Zu berücksichtigen ist, dass in der Bilanz kurzfristige Verbindlichkeiten in Höhe von EUR 1,86 Milliarden aufgeführt sind. Diesen stehen kurzfristige Forderungen von nur EUR 360 Millionen gegenüber. Werden die kurzfristigen Verbindlichkeiten mit den Forderungen und dem Cash-Bestand verrechnet, kommen wir auf einen Cash-Betrag von nur noch EUR 9 Millionen.

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Kurzfristige Verbindlichkeiten, Stand: 31.12.2017, Quelle: Spotify Emissionsprospekt

 

Ferner liegt die Annahme nahe, dass die EUR 1,5 Milliarden größtenteils aus der in 2016 begebenen Wandelanleihe in Höhe von EUR 1 Milliarde stammen. Wie ich darauf komme?

Damit hätten wir auch eine perfekte Überleitung zum Cashflow. Unter der Berücksichtigung der, meines Erachtens, nicht wirklich berauschenden Ausstattung des Unternehmens mit Barmitteln, wäre es bedeutsam zu wissen, wieviel Cash das Unternehmen generiert. An der folgenden Abbildung ist ersichtlich, dass Spotify in 2016 zum ersten Mal einen positiven Free Cashflow erwirtschaftet hat. Im darauffolgenden Jahr ist der Free Cashflow von EUR 73 Millionen auf EUR 109 Millionen gestiegen. Dies entspricht einem Wachstum von 49%.

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Free Cashflow 2013-2017, Stand: 31.12.2017, Quelle: Spotify Emissionsprospekt

 

Das Emissionsprospekt liefert keinen sehr detaillierten Einblick in den Cashflow des Unternehmens. Allerdings fällt auf, dass im dritten Quartal 2017 ein negativer operativer Cashflow zustande kam. Hier wäre es interessant zu wissen, weshalb dieser zustande gekommen ist und ob es sich nur um einen Einmaleffekt handelt (siehe folgende Abbildung).

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Operativer Cashflow 2016-2017, Stand: 31.12.2017, Quelle: Spotify Emissionsprospekt

 

Die Vermögenswerte werden mit EUR 3,1 Milliarden bilanziert. Unter der Berücksichtigung, dass Spotify pro forma schuldenfrei ist und einen Cash-Bestand von EUR 1,5 Milliarden besitzt, ergeben sich daraus langfristige Vermögenswerte von rund EUR 1,6 Milliarden. Gleichzeitig ist Spotify im Dezember 2017 eine Überkreuzbeteiligung in Form einer Minderheitsbeteiligung mit Tencent Music Entertainment Group (TME) eingegangen. Hierzu gibt Spotify an, dass sich der Wert dieser Minderheitsbeteiligung auf rund EUR 910 Millionen beziffert, sodass der Großteil von Spotifys Vermögenswerten hierunter fallen würde.

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Total assets Spotify per 31.12.2017, Quelle: Spotify Emissionsprospekt

 

8. Aktionärsstruktur

In der nachfolgenden Abbildung ist die Aktionärs- und Stimmrechtsstruktur von Spotify dargestellt. Demnach besitzen die beiden Gründer Daniel Ek und Martin Lorentzon 38,9% der Anteile, haben aber über sogenannte Stimmrechtszertifikate (engl. Beneficiary Certificates) mehr als 80% der Stimmrechte.

Weitere populäre Aktionäre von Spotify sind Sony Music Entertainment und die Chinesen mit Tencent. Tencent ist über seine Tochter Tencent Music Entertainment Group (TME) vertreten, welche ebenfalls zeitnah einen Börsengang anstrebt (hier).

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Aktionärsstruktur und Stimmrechte bei Spotify, Stand: 28.02.2018, Quelle: Spotify Emissionsprospekt

 

Da die beiden Gründer 80% der Stimmrechte halten, ist es unwahrscheinlich, dass es zu einer Übernahme kommen sollte. Anlegern, die aufgrund von Übernahmespekulationen in Spotify investieren, ist Vorsicht geboten.

9. Management

Neben den beiden Gründern Daniel Ek und Martin Lorentzon sitzen eine Reihe von Mitgliedern im Vorstand und Aufsichtsrat, welche unter anderem Funktionen bei Netflix, Nike, Walt Disney, Cisco und Microsoft inne haben oder hatten (Details siehe Emissionsprospekt, S. 126f.).

Ein Punkt fiel mir bei der Durchsicht des Emissionsprospekts besonders auf, welchen ich gerne teilen möchte. Laut Emissionsprospekt bekommt CEO Daniel Ek kein Grundgehalt mehr, sondern einen Bonus in Höhe von einer Million Euro, sofern er gewisse Meilensteine erreicht. Diese waren für 2017:

  • mehr als 70 Millionen Premium-Abonnenten gewinnen,
  • mehr als 150 Millionen MAUs gewinnen und
  • eine Rohertragsmarge von 25% im zweiten Halbjahr 2017.

Obwohl der dritte Meilenstein hinsichtlich einer Rohertragsmarge in Höhe von 25% nicht erreicht werden konnte, bekam er trotzdem den vollen Bonus zugesprochen. Ich wünschte, ich hätte auch solch einen Arbeitgeber.

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Bonus von CEO Daniel EK, Quelle: Spotify Emissionsprospekt 

 

10. Chancen

Meines Erachtens existieren für Spotify drei Katalysatoren für zukünftiges Wachstum und potenzielle Gewinne. Diese sind

  • eigene Musikproduktion,
  • die Erschließung neuer Märkte und
  • Wachstumsfinanzierung durch flexibleren Zugang zum Kapitalmarkt.

10.1. Eigene Musikproduktion
Wie bereits in den vorherigen Abschnitten dargestellt wurde, hat Spotify eine sehr hohe Umsatzkostenquote mit 79% im Jahr 2017. Davon stellen den Großteil Lizenzgebühren an die Musiklabels zwecks Streaming dar. Obwohl mit den Musiklabels in 2017 eine neue Lizenzvereinbarung abgeschlossen wurde, konnten die Umsatzkosten nur minimal gesenkt werden. Das heißt, dass Spotify Wege suchen muss, um diese Kosten zu umgehen. Der beste und einfachste Weg hierzu wäre, dass Spotify seine Popularität und Marktstellung nutzt, um direkt Verträge mit Künstlern abzuschließen und deren Alben über die Spotify-Plattform zu vermarkten. Da populäre Künstler gegebenenfalls bereits mit den großen Musiklabels Verträge haben können, wäre es eine alternative Möglichkeit, bislang unbekannte Künstler aufzudecken und deren Alben zu vermarkten. 

Auch wenn CEO Daniel Ek diesen Weg dementiert hat (hier), wurde ein entsprechender Schritt in diese Richtung unternommen. Spotify hat im November das Unternehmen Soundtrap unternommen. Soundtrap ermöglicht es Künstlern, ihre Songs online mit einem webbasierten Studio für Musikaufnahmen und -produktionen zu erstellen (hier).

Hinzu kommt, dass Spotify die Möglichkeit besitzt, die Songs dieser Künstler in den einzelnen Playlists abzuspielen und deren Bekanntheitsgrad zu steigern. Laut Unternehmensangaben besteht der Anteil der abgespielten Songs zu 31% aus Playlists, welche von Playlist-Kuratoren (z. B. RapCaviar) und maschinell über die Spotify Plattform generiert werden (z. B. Discovery Weekly, Daily Mix, Release Radar; hier).

Gleichwohl besteht bei der Eigenproduktion das Risiko, dass die etablierten Musiklabels ihre Lizenzen von Spotify abziehen könnten, da Spotify eine zunehmende Gefahr darstellen könnte, sollte sich dieses System etablieren. Alternativ könnten die etablierten Musiklabels denselben Weg gehen und eine eigene Plattform für Musikaufnahmen erstellen, was wiederum Spotify schaden würde. Jedoch wird langfristig meines Erachtens kein Weg an einer eigenen Musikproduktion vorbeiführen, um die Profitabilität zu steigern.

10. 2. Erschließung neuer Märkte
Investoren sehen in Spotify hauptsächlich Wachstumsphantasien, woraus die aktuelle Bewertung an der Börse resultiert. Spotify selbst gibt auf der Investor Relations Seite an, dass in den 61 Ländern, wo die Plattform genutzt werden kann, aktuell 1,2 Milliarden Smartphones mit mobiler Bezahlfunktion existieren. Diese Zahl soll bis 2020 auf 1,6 Milliarden steigen. Ferner soll die Anzahl der entsprechenden Smartphones in Ländern (exklusive China), wo Spotify aktuell nicht verfügbar ist, bis 2021 auf mehr als 1,4 Milliarden steigen (hier; hier). Somit würde signifikantes Wachstumspotenzial bestehen.

Bevölkerungsstarke Länder, in welchen Spotify nicht vertreten ist, sind unter anderem China, Indien und Russland. Daraus lässt sich schließen, dass Spotify in diesen Ländern signifikantes Wachstumspotenzial haben könnte (die Länder, in welchen Spotify verfügbar ist, kann hier eingesehen werden).

In Bezug auf China lässt sich konstatieren, dass Apple trotz seines Bekanntheitsgrads Schwierigkeiten hat, auf dem Musikstreaming-Markt Fuß zu fassen. Analysen zufolge präferieren die Chinesen einheimische Musikstreaming-Diente. Insofern wundert es nicht, dass die Top-5 Musikstreaming-Anbieter allesamt Chinesen sind. Drei dieser führenden Anbieter gehören zum Portfolio von Tencent (hier). Tencent war per Ende 2017 Asiens wertvollstes Unternehmen nach Börsenwert, dich gefolgt von Alibaba, einem anderen chinesischen Unternehmen. Alibaba ist mit seiner Musikstreaming-Platform ebenfalls in der Top 5-Liste der chinesischen Anbieter vertreten (hier).

Für Russland hat Spotify bereits 2015 bekannt gegeben, seinen Service erst einmal nicht anzubieten. Begründet wurde dieser Schritt zum einen mit der schwierigen politischen und wirtschaftlichen Lage des Landes. Zum anderen sollen neue Internetgesetze zu der Entscheidung beigetragen haben (hier). Vor dem Hintergrund, dass selbst Facebook Probleme hat, Zugang zum russischen Markt zu finden, wird dies für Spotify kein leichtes Unterfangen. Hinzu kommt, dass mit VK (der größten russischen sozialen Plattform) und Yandex (die größte russische Suchmaschine) bereits zwei Unternehmen eine Musikstreaming-Plattform anbieten (hier und hier).

Als vielversprechendster zukünftiger Markt erscheint wohl Indien. Gleichwohl existieren auch hier bereits führende Musikstreaming-Anbieter, welche Investorenkapital einsammeln und ihre Nutzerzahlen kräftig steigern. Beispielsweise haben sich Bertelsmann mit über USD 100 Millionen und Tiger Global Management (ebenfalls an Spotify beteiligt) an Saavn beteiligt. Saavn ist der führende Musikstreaming-Dienst in Indien und wächst pro Monat um eine Million Nutzer (hier). Ferner hat sich Tencent mit USD 115 Millionen an Gaana, einem weiteren führenden indischen Musikstreaming-Anbieter, beteiligt. Hinzu kommen die US-Tech-Unternehmen Apple und Amazon, die sich ebenfalls ein starkes Wachstum in Indien versprechen und nach Wegen suchen, um ihre Marktanteile auszubauen.

10. 3. Wachstumsfinanzierung durch flexibleren Zugang zum Kapitalmarkt
Im Zuge der Börsennotierung gab das Unternehmen zum einen an, dass man die Direktplatzierung gewählt habe, da man nicht darauf abziele, neue Aktien zu emittieren. Das Unternehmen habe keine Schulden und sei mit einem Cash-Bestand von EUR 1,5 Milliarden ausreichend mit Kapital versorgt. Vielmehr ziele man darauf ab, die Anteile der Altaktionäre zu platzieren und diesen mehr Liquidität bei der Veräußerung ihrer Anteile zu ermöglichen (hier).

Zum anderen biete sich potenziellen Klein- und Großanlegern durch die Börsennotierung die Möglichkeit, Aktien von Spotify zu einem Preis zu erwerben, welcher anhand von Angebot und Nachfrage vom Markt festgelegt wird (hier).

Gleichwohl ist hierbei hervorzuheben, dass Spotify nun viel einfacher die Möglichkeit besitzt, im Falle eines Kapitalbedarfs, das entsprechende Kapital in Form von Eigenkapital über den Verkauf von Aktien oder einer Kapitalerhöhung an der Börse zu beschaffen. Dies gibt dem Unternehmen mehr Flexibilität bei der Finanzierung des Wachstums und macht es unabhängiger von Fremdkapitalgebern und Banken.

11. Risiken

Meines Erachtens existieren im Zusammenhang mit einem Invesment in Spotify drei grundsätzliche Risiken. Diese sind

  1. die Bewertung,
  2. die Frage, wann das Unternehmen Gewinne schreiben wird und
  3. die Wettbewerbssituation

11.1 Bewertung
Spotify wurde am 3. April zu einem Ausgabekurs von USD 165,90 gehandelt. Laut dem Emissionsprospekt gab es per 28. Februar 2018 insgesamt 176.976.289 Aktien. Somit beziffert sich der Börsenwert von Spotify auf USD 29,4 Milliarden. Diese Marktkapitalisierung entspricht dem sechsfachen Umsatz für das Jahr 2017 und dem fünffachen Umsatz für 2018. Da Spotify aktuell keine Gewinne schreibt, ist eine Aussage in Bezug auf das KGV nicht möglich. Investoren haben also USD 165,90 für eine Aktie bezahlt, die im vergangenen Jahr einen Verlust von EUR 8,14 erwirtschaftet hat und im laufenden Jahr einen operativen Verlust von mindestens EUR 1,5 je Aktie erwirtschaften wird (laut Spotify-Prognose soll der operative Verlust in 2018 bei EUR 260-340 Millionen liegen).

Damit hat Spotify eine ähnliche Bewertung wie die beiden Dax-Unternehmen Münchener Rück und Fresenius, die beide profitabel arbeiten und seit Jahrzehnten ihre Aktionäre mit Dividenden(erhöhungen) beglücken.

Die nachfolgende Abbildung veranschaulicht, zu welchem Preis die Aktionäre im außerbörslichen Bereich vor dem Börsengang die Spotify-Anteile gehandelt haben.

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Private Transaktionen der Spotify-Anteil vor dem Börsengang, Quelle: Spotify Emissionsprospekt

 

Demzufolge haben die Anteile zuletzt im Dezember 2017 für einen Anteilspreis von maximal USD 132,50 den Besitzer gewechselt. Somit haben Investoren, welche die Aktie am Tag des Börsengangs gezeichnet haben, einen Aufschlag in Höhe von mindestens 25% auf den zuletzt gehandelten Preis gezahlt.

Ferner gibt Spotify in seinem Emissionsprospekt einen fair value für seine Anteile an (Details zur Berechnung siehe Emissionsprospekt).

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Kalkulation des Fair Value laut Emissionsprospekt, Berechnungsgrundlage siehe Emissionsprospekt, S. 82f., Quelle: Spotify Emissionsprospekt

 

In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass per Dezember 2017 die ausstehenden Aktien bei 167.258.400 lagen. Somit haben Investoren neben einem Aufschlag von knapp 38% auf den von Spotify veröffentlichten Fair Value auch noch 6% weniger Anteile bekommen aufgrund der gestiegenen Aktienzahl. Der Börsengang war auf jeden Fall ein Erfolg –  je nach Blickwinkel des Betrachters.

Ferner wurde in den Medien im Zuge der Direktplatzierung geschrieben, dass keine Lock-Up-Periode vorliegen würde. Das heißt, Altaktionäre und Mitarbeiter können ihre Aktien direkt mit dem Börsengang auf den Markt werfen. Allerdings erwähnt das Emissionsprospekt in diesem Zusammenhang ein wichtiges Detail. Tencent Music Entertainment Group hält 7,5% der Aktien, welche sie erst nach einer Frist von 180 Tagen nach Börsengang handeln dürfen (s. Emissionsprospekt, S. 44 und 47). Das heißt im Umkehrschluss, dass je nach Kursentwicklung, nach dieser Periode weitere Aktien auf den Markt geworfen werden und den Kurs weiter drücken könnten.

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Tencent und TME Lock-Up-Regelung, Stand: 28.02.2018, Quelle: Spotify Emissionsprospekt

 

Schauen wir uns noch Börsengänge aus naher Vergangenheit anderer Tech-Unternehmen an, die ebenfalls ein hohes Medienaufsehen erregt haben. Dies sollte unterstützen, eine Relation bezüglich der Bewertung herzustellen und die Meinung der Wallstreet besser interpretieren zu können.

Dropbox, das einen Umsatz von USD 1,1 Milliarden im Jahr 2017 erzielte, erreichte eine Marktkapitalisierung von acht Milliarden US-Dollar beim Börsengang am 23. März 2018 (hier und hier). Dies entspricht ungefähr dem siebenfachen Umsatz für 2017. Gemeinsam haben Dropbox und Spotify, dass sie beide Verluste schreiben, aber einen positiven Free Cashflow zum Zeitpunkt des Börsengangs hatten.

Snap Inc. (Snapchat) hatte beim Börsenstart in 2017 eine Marktkapitalisierung in Höhe von USD 29 Milliarden (hier). Der Umsatz für 2017 lag bei USD 825 Millionen. Bei Snapchat waren die Börsianer also großzügiger und haben das Unternehmen mit dem 36-fachen des Umsatzes bewertet. Snap hat, analog zu den vergangenen Jahren, in 2017 einen Verlust geschrieben und weist im Gegensatz zu Spotify und Dropbox einen negativen Free Cashflow aus (hier). Der Aktienkurs hat seit dem Börsengang um 40% an Wert verloren.

Schauen wir uns noch den Vergleich zu Netflix an. Auch wenn der Börsengang von Netflix einige Jahre zurückliegt und die Rahmenbedingungen anders waren, wird doch oft ein Vergleich zwischen Spotify und Netflix hergestellt, da beide im Streaming-Business tätig sind.

Netflix ging am 23. Mai 2002 mit einer Marktkapitalisierung von USD 309 Millionen an die Börse – richtig, keine Milliarden, sondern Millionen (hier). Dies entsprach dem vierfachen Umsatz von 2001 und dem doppelten Umsatz von 2002. Das wirkt, im Vergleich zu den heutigen Bewertungen, in der Tat wie ein Schnäppchen, obwohl auch Netflix damals Verluste geschrieben und einen negativen Free Cashflow ausgewiesen hat (der Free Cashflow ist heute immer noch negativ; hier).

Heute – rund 15 Jahre nach dem Börsengang – weist Netflix eine Marktkapitalisierung von USD 126 Milliarden auf, bei einem Umsatz in Höhe von USD 11,7 Milliarden und einem Gewinn von USD 560 Millionen (Stand: 4. April 2018). Dies entspricht ungefähr dem 11-fachen Umsatz und dem 225-fachen des Gewinns in 2017. Somit erwirtschaftet Netflix heute den doppelten Gewinn seiner Marktkapitalisierung als zur Zeit des Börsengangs. Wer also damals Netflix-Aktien gezeichnet hatte, hat zweifelsohne, unabhängig von der aktuellen Bewertung, ein rentables Geschäft abgeschlossen.

Gemessen an der aktuellen Bewertung von Netflix und den IPOs von Dropbox und Snapchat erscheint Spotify also nicht zwangsweise als teuer. Gleichwohl erscheinen die oben genannten Beispiele im Vergleich zum Börsengang von Netflix allesamt für teuer bewertet. Gleichzeitig stellt sich die Frage, wieviel Phantasie die Bewertungen von unprofitablen Wachstumsunternehmen bei solch hohen Bewertungen im aktuellen Börsenumfeld – vor dem Hintergrund potenziell steigender Zinsen – noch aufweisen.

Darüber hinaus existiert mit Pandora ein Musikstreamingdienst, welcher analog zu Spotify ebenfalls ein kostenloses und Premium-Abo zum selben Preis anbietet. Zusätzlich gibt es bei Pandora die Möglichkeit einer Plus-Mitgliedschaft, welche nur halb so viel wie das Premium-Abo kostet. Pandora erwirtschaftete in 2017 einen Umsatz in Höhe von USD 1,5 Milliarden und bringt es auf eine Marktkapitalisierung von lediglich USD 1,2 Milliarden. Das Unternehmen hat es seit dem Börsengang 2011 nicht geschafft, einen Gewinn zu erzielen. Pandora hat zwar weniger Mitglieder mit 74,7 Millionen kostenlosen und 5,48 Millionen zahlenden Nutzern, aber die Rohertragsmarge mit 35% und die operativen Kosten mit 67% des Umsatzes liegen bei weitem besser als bei Spotify (hier). Vor diesem Hintergrund scheint die Bewertung von Spotify nicht angemessen.

11.2 Gewinne
Unabhängig von der aktuellen Bewertung, schauen wir uns doch mal an, unter welchen Bedingungen Spotify in die Gewinnzone rutschen würde. Allerdings ist diese Frage nicht so leicht zu beantworten. Denn aktuell macht Spotify umso mehr operativen Verlust, je mehr der Umsatz steigt. Wie an der unten stehenden Grafik ersichtlich ist, lagen die Umsatzkosten in 2017 bei 79% des Umsatzes und die sonstigen Kosten bei 30%. In Summe übersteigen die Kosten von Spotify den Umsatz um 9%.

Laut Guidance für 2018 soll der Umsatz um 20-30% wachsen und bei EUR 4,9-5,3 Milliarden liegen. Die Rohertragsmarge soll bei 23-25% liegen. Das hilft aber alles nichts, solange die Gesamtkosten den Umsatz übersteigen. Insofern soll der operative Verlust in 2018 bei EUR 230-330 Millionen liegen.

Wenn wir diese Entwicklung fortschreiben, ist ersichtlich, dass der operative Verlust mit zunehmendem Umsatz steigt. Das heißt, dass Spotify nur schwarze Zahlen schreiben kann, wenn die Kosten massiv reduziert werden. Angesichts der steigenden Mitarbeiterzahl, der zunehmenden Ausgaben in Forschung- und Entwicklung, der Fixkosten und variablen Kosten im Zusammenhang mit dem Musik-Streaming, stehen Spotify und die Anleger vor einer sehr großen Herausforderung.

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Ergebnisentwicklung Spotify, Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Spotify Emissionsprospekt und Ausblick 2018

 

Darüber hinaus gibt Spotify im Emissionsprospekt an, dass die Gefahr besteht, dass sich das Umsatzwachstum aufgrund einer zunehmenden Marktsättigung und des steigenden Wettbewerbs in Zukunft abschwächen kann. Es kann nicht versichert werden, dass der Umsatz weiter wächst oder im schlimmsten Fall sogar sinken kann. Außerdem wird davon ausgegangen, dass die Kosten weiter steigen werden, sodass die Profitabilität darunter leiden wird (siehe Emissionsprospekt, S. 17). Da selbst Apple als Big Player keine Gewinne mit dem Musikstreaming erwirtschaftet, stellt sich die Frage, inwiefern Spotify hierzu überhaupt mal in der Lage sein wird (hier).

11.3 Wettbewerbssituation
Neben Pandora existiert noch eine Reihe von weiteren Unternehmen, die Spotify die Marktführerschaft im Streaming-Business streitig machen wollen. Apple Music, Amazon Music und YouTube sind hierbei die populärsten Vertreter. Facebook plant ebenfalls in das Musikstreaming-Business einzutreten (hier).

Die nachfolgende Abbildung veranschaulicht eine Reihe von Konkurrenten. Eine Übersicht über eine Vielzahl weiterer Konkurrenten findet sich (hier).

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Preise der Musikstreaminganbieter; Stand: 01.04.2018; Quelle: Seeking Alpha

 

Im Falle von Tidal ist erwähnenswert, dass es sich um eine norwegisch-schwedische Firma handelt, welche im März 2015 vom Rapper Jay Z übernommen wurde. Laut Wikipedia gehören neben Jay Z noch 16 weitere Künstler zu den Anteilseignern, darunter Beyoncé, Rihanna, Kanye West, Madonna, Alicia Keys und Usher. Tidal wirbt damit, knapp 50 Millionen Titel im Sortiment zu haben (hier).

Gleichwohl sind es in erster Linie Apple und Amazon Music, die aufgrund ihres Bekanntheitsgrads und Finanzkraft die Marktführerschaft streitig machen. Unter den Musikstreaming-Anbietern ist Apple laut dem Wall Street Journal kurz davor, den Weltmarktführer Spotify hinsichtlich der Abonnentenzahl in den USA zu überholen. Die Zahl der Nutzer mit einer kostenpflichtigen Mitgliedschaft steigt bei Apple Music demnach um monatlich durchschnittlich 5%, während Spotify 2% im Monat zulegen kann. Sollte das Wachstum so weitergehen, könnte Apple Music Spotify im Sommer 2018 ein- bzw. überholen. Weltweit liegt Apple Music allerdings noch signifikant hinter dem schwedischen Konkurrenten. Laut jüngsten Zahlen hat Apple Music weltweit insgesamt 36 Millionen zahlende Abonnenten. Das entspricht einem Plus von sechs Millionen seit September 2017, als der Konzern von 30 Millionen zahlenden Abonnenten berichtete. Werden allerdings Nutzer mitgezählt, die sich noch in der kostenlosen, dreimonatigen Probephase befinden oder eine stark reduzierte Anfangsmitgliedschaft abgeschlossen haben, soll Apple bereits leicht vor Spotify liegen (hier).

Amazon startete im April letzten Jahres mit Amazon Music Unlimited ebenfalls einen Musikstreamingdienst, welcher seine Nutzerzahl laut Unternehmensangaben im letzten halben Jahr verdoppelt und mehrere Millionen zahlende Nutzer haben soll. Die Kompatibilität mit dem hauseigenen Home Speaker sollte hierzu sicherlich beigetragen haben (hier).

Unter der Berücksichtigung des hohen Wettbewerbs stellt sich die Frage, inwiefern sich Spotify in Zukunft von der Konkurrenz abheben und auch finanziell dagegen halten kann. Dabei fällt auf, dass sich die Angebote preislich nicht unterscheiden. Vielmehr scheinen persönliche Präferenzen, die Popularität und die Kundentreue eine besondere Rolle zu spielen.

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MAUs nach Alter, Quelle: Spotify Emissionsprospekt

Schauen wir uns noch die Nutzerdaten von Spotify an, fällt auf, dass die meisten Nutzerzahlen im Alter von 18-24 Jahren liegen. Zum einen hat dies den Vorteil, dass diese Kundengruppe noch jung ist und jahrzehntelang Spotify treu bleiben könnte. Auf der anderen Seite besteht der Nachteil, dass diese Altersgruppe – vor allem in westlichen Ländern – noch nicht im Berufsleben steht und dadurch finanziell eingeschränkt ist (siehe Abbildung rechts).

Vor dem Hintergrund, dass sich finanzstarke Unternehmen wie Apple, Amazon, Tencent im Musikstreaming-Markt tummeln, könnten diese beispielsweise ihre Abo-Preise ganz einfach senken und durch andere Einnahmequellen subventionieren. Gleichzeitig besitzen sie Cross-Selling-Potenziale über ihre Ökosysteme. Bei Spotify hingegen scheinen diese Möglichkeiten gegenwärtig nicht zu bestehen, da wie bereits erwähnt, 90% der Umsätze von zahlenden Premium-Nutzern stammen. Dadurch wiederum besteht ein hohes Risiko, dass Nutzer zu anderen Plattformen wechseln.

12. Fazit 

„Was wir aus der Geschichte lernen, ist, dass Menschen nicht aus der Geschichte lernen.“ 
– W. Buffett

Eine der ersten Regeln, die man im BWL-Studium nach „der Preis wird bestimmt durch Angebot und Nachfrage“ lernt, ist das Prinzip von Skaleneffekten. Vereinfacht gesagt bedeutet das, je mehr ich von einem Produkt produziere und verkaufe, desto mehr sollte ich auch verdienen, da die gesteigerte Produktionsmenge meine Stückkosten reduziert und im Gegenzug mein Umsatz durch die verkaufte Menge steigt.

Spotify ist in der Tat eine spannende Story, die mit dazu beigetragen hat, die Musikindustrie zu revolutionieren. Ich habe mir die App im Rahmen dieser Analyse heruntergeladen und das kostenlose Probe-Abo genutzt. Die App ist praktisch und gut aufgebaut.

Gleichwohl sind hier meines Erachtens die Idee und das Investment voneinander zu trennen. Wird Spotify aus der Sicht eines Investors betrachtet, fällt auf, dass das Unternehmen seit Jahren Verluste schreibt und sich dies auf absehbare Zeit auch nicht ändern wird. Je mehr der Umsatz steigt, umso mehr steigen auch die Verluste. Dabei machen die Lizenzgebühren den Großteil der Kosten aus. Jedoch ist Spotify aufgrund seines Geschäftsmodells auf diese Lizenzen angewiesen. Hinzu kommt der starke Wettbewerb und die Tatsache, dass sich das Wachstum in Zukunft verlangsamen soll.

Doch was ist der Grund dafür, dass ein Unternehmen, das seit Jahren Verluste schreibt, an der Börse mit knapp USD 30 Milliarden bewertet wird?

Meine Antwort hierauf: (billiges) Geld und (reichlich) Phantasie gepaart mit – dem besten Freund und größtem Feind des Börsianers – der Gier.

Am meisten hat sich der Börsengang sicherlich für die beiden Gründer Daniel Ek und Martin Lorentzon sowie für die Altaktionäre, wie z. B. Sony und Tencent, gelohnt, welche nun über die Börse ihre Anteile versilbern können. Tencent bekam im Gegenzug für die Umwandlung der Wandelanleihe 15.986.920 Aktien. Berechnet auf den Ausgabekurs entspricht das USD 2,65 Milliarden. Wird nun die Wandelanleihe in Höhe von einer Milliarde Euro herausgerechnet, hat Tencent an diesem Deal einen (Buch-)Gewinn von über einer Milliarde Euro in kürzester Zeit realisiert. Definitiv ein rentables Investment – für Tencent. Vielleicht hätte ich den Beitrag auch „warum ich Tencent statt Spotify kaufe“ nennen sollen.

Die Beteiligung an Tencent Music Entertainment Group könnte Spotify meines Erachtens kurzfristig Phantasie verleihen, sofern das Unternehmen zeitnah an die Börse geht. Dies wäre aber eher für Trader interessant. Ähnliche Auf- und Abbewegungen sind beispielsweise bei Snapchat zu beobachten. Trotzdem notiert die Aktie 40% unter ihrem Ausgabepreis.

Von potenziellen Übernahmespekulationen sollten Anleger sich nicht beirren lassen. Die beiden Gründer Daniel Ek und Martin Lorentzon wollen die Kontrolle über das Unternehmen behalten und besitzen folglich 80% der Stimmrechte. Insofern gehe ich auch nicht davon aus, dass aktivistische Investoren einsteigen könnten. Hinzu kommt, dass Spotify nach eigenen Aussagen unter anderem an die Börse gegangen ist, um den Altaktionären mehr Liquidität beim Handeln ihrer Anteile zu bieten (Stichwort: „Kasse machen“). Da kommt der gegenwärtige Bullenmarkt gerade recht.

Per 6. April 2018 müsste ich für einen prognostizierten operativen Verlust von mindestens EUR 2,49 je Spotify-Aktie rund USD 147,50 bezahlen. Spotify wird in absehbarer Zeit keine Gewinne erwirtschaften und wirft folglich auch keine Erträge ab. Hinzu kommt, dass ich als Aktionär, aufgrund der Stimmrechte von über 80% der beiden Gründer, nicht mal ein Mitbestimmungsrecht bezüglich der Unternehmensstrategie habe. Außerdem kommt noch die Gefahr einer Verwässerung hinzu, falls Spotify zur Wachstumsfinanzierung eine Kapitalerhöhung durchführt oder der Aktienkurs kommt unter Druck, wenn Altaktionäre ihre Anteile auf den Markt werfen. Als werteorientierter Investor halte ich das Chance-Risiko-Verhältnis für sehr unattraktiv, sodass ein Investment in Spotify für mich nicht in Frage kommt.

Bezugnehmend auf meine anfängliche Euphorie möchte ich diese Analyse mit einem Zitat von Benjamin Graham, dem Mentor von Warren Buffet, abrunden.

„Die Analyse von Wertpapieren aber wird dadurch behindert, dass Investitionen von Natur aus keine exakte Wissenschaft darstellen. Das Gleiche gilt für die Jurisprudenz und die Medizin, auch bei diesen spielen sowohl individuelle Fähigkeiten (Kunstfertigkeit) als auch der Zufall eine wichtige Rolle bei der Entscheidung über Erfolg und Misserfolg. Nichtdestoweniger ist in diesen Berufsfeldern Analytik nicht nur hilfreich, sondern auch unersetzlich.“
– B. Graham, Security Analysis

Ich hoffe du hast Gefallen an meinem Artikel gefunden und er hilft dir für deine Investments weiter. Viel Erfolg weiterhin!

Dynamische Grüße,
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Güner Soysal, 07.04.2018
Founder & CEO, Investment Analyst (M.A.)

Investor update vom 05.04.2018: Sony hat bereits Kasse gemacht und 17% seiner Anteile für insgesamt USD 250 Millionen verkauft (hier). 

Sämtliche Inhalte nach bestem Wissen und Gewissen, aber ohne Gewähr für Aktualität, Richtigkeit, Vollständigkeit und Genauigkeit. Die Kolumne dient nur der Information und stellt keine Aufforderung zum Kauf oder Verkauf der erwähnten Wertpapiere dar. Der Autor haftet nicht für materielle und/oder immaterielle Schäden, die durch die Nutzung oder Nichtnutzung der Inhalte oder durch die Nutzung fehlerhafter und unvollständiger Inhalte verursacht wurden.

Offenlegung von Interessenskonflikten: Der Autor hält zum Zeitpunkt der Veröffentlichung direkt oder mittelbar Positionen in den erwähnten Wertpapieren: Apple, Facebook, Tencent, Alibaba. Der Autor beabsichtigt nicht, innerhalb von 36 Stunden nach Veröffentlichung direkt oder mittelbar Transaktionen in den erwähnten Wertpapieren zu tätigen.

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